Du bist nicht originell

Die Wahrscheinlichkeit, dass du eine nie da gewesene, komplett von allem bisher gewesenen abhängige Idee hast, ist extrem gering. Das Rad kann man nun mal nur so oft neu erfinden. Du bist auch nur so besonders wie die nächstbeste Person.

Und weißt du was? Das ist nicht schlimm. Du bist nicht spezieller als andere – aber auch nicht schlechter.

Die vergangenen Monate hat sich bei mir immer wieder der Gedanke eingeschlichen, dass man, um zufrieden und erfolgreich zu sein, in gewisser Weise ein bisschen dumm sein muss. Nicht gemessen am IQ oder an der Hochschulbildung, sondern in dem Sinne, dass man die Realität stark verzerrt sieht und sich selbst gnadenlos überschätzt. Das ist nicht mein menschenfreundlichster Gedanke gewesen, aber definitiv menschlich – denn in erster Linie wuchs er aus meinem Neid heraus, dass andere einfach selbstüberzeugt Dinge angehen: „Dieses Konzept/diese Idee/dieses Produkt ist so offensichtlich lückenhaft/langweilig/unoriginell/zig Mal da gewesen, wie kann diese Person so fest überzeugt von ihrem Projekt sein und nicht peinlich berührt sein?“
Ich habe auch Ideen und Projekte, die ich vorantreiben will, aber ich weiß, dass sie nicht perfekt sind und arbeite dran, das zu verbessern – also bin ich doch offensichtlich besser. Oder?

Mal abgesehen davon, dass das ein ziemlich selbstzentrierter Gedankengang ist, steckt gerade in dieser Denke das Problem. Originalität wird oft so verstanden, dass man eine Idee aus dem Nichts heraus in die Welt bringt und es nichts Vergleichbares gibt. So einfach ist es aber nun mal nicht – sonst gäbe es heute auch nicht das geliebte Facebook, Twitter, Instagram und Co. Nach AOL, Foren und MySpace wäre da nicht mehr allzu viel herum gekommen. Trotzdem würden wir nicht sagen, dass Facebook, Twitter und Instagram sich allzu sehr ähneln. Sie konkurrieren miteinander, bauen gleiche ähnliche Features ein (*hust*Stories*hust*), aber der Drang sich voneinander abzusetzen und besser zu sein, fördert die Entwicklung im guten wie im schlechten Sinne. Und das lässt sich in vielerlei Hinsicht auch auf andere Bereiche übertragen. Des Pudels Kern und mein Problem war (und ist) letztlich, dass ich mich so im Versuch „originell“ zu sein und in der Perfektion verbissen habe, dass ich mich selbst damit gelähmt habe. Obsessiv über Dingen zu verharren, bringt einen nicht voran – Lösungen für Probleme suchen und umsetzen schon. Und dieses „einfach tun“, sich damit in die Öffentlichkeit zu bringen und verletzlich für Kritik zu machen, erfordert immer wieder Selbstbewusstsein – was so manche nicht ganz extrem selbst-reflektierte Person vielleicht besser kann als (selbst-)kritische Personen, die sich in Analyse nach Analyse verrennen.

Mit diesem Text sollen offensichtliche Nachahmungen und Kopien absolut nicht ermutigt werden, sondern klar machen, dass man niemandem – am wenigsten sich selbst – hilft, wenn man sich im ständigen Vergleich mit anderen selbst Steine in den Weg legt. Denn die Kunst liegt darin sich Orientierungswerte zu suchen und verfügbares Wissen als Grundlage zu nutzen – die jeweiligen Probleme, denen man im Laufe der Umsetzung begegnet, und die verfügbaren Lösungsansätze allein werden das Projekt in eine einzigartige Richtung zu lenken. Denn Originalität bedeutet Echtheit und Eigenständigkeit, nicht „nie da gewesen“. Erst durch konkrete Überlegungen und Handlungen wachsen Projekte und Menschen.

Oder um es mal ganz unoriginell mit den Worten von Nike zu sagen: Just do it.

Ein Foto aus der Froschperspektive: Das Blickfeld liegt auf dem graubeigen Asphaltuntergrund, im Hintergrund sind blaue Gewässer zu sein. Im Fokus stehen die grauen Schuhe der Marke Nike, die eine hochspringende Person.trägt
Hat Nike mit „Just do it“ den generischsten und gleichzeitig absolut brauchbarsten Slogan überhaupt gefunden? Höchstwahrscheinlich.

Veröffentlicht von

Sirona Viola

Sirona Viola ist Content Strategist und leidenschaftlicher Social Media Nerd mit einer Schwäche für Kaffee.

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