Fit für Arbeit 4.0? – Die Skills der Zukunft

Die Digitalisierung ist nicht jedem geheuer, erst recht nicht in Deutschland. Und das ist verständlich, denn es liegt in der menschlichen Natur, Veränderungen kritisch gegenüber zu stehen. Veränderungen bringen unbekannte Variablen mit, stellen bewährte Strukturen auf die Probe und jagen uns damit aus unserer Komfortzone.

Sie bieten aber auch Chancen – im Fall der Digitalisierung eine langfristige Effizienzsteigerung, aber vor allem auch eine neue Definition des Begriffs „Arbeit“. Womit werde ich in Zukunft Geld verdienen? Was definiert eine sinnvolle Tätigkeit, wenn Jobs zunehmend automatisiert werden? Schon jetzt, vorangetrieben durch COVID-19, sitzen viele im Home Office und sehen sich mit der Frage konfrontiert: Wie wird meine Arbeit zukünftig aussehen?

Wir befinden uns schon seit Jahren im Umbruch. Doch dieser hat jetzt noch mehr Tempo aufgenommen. Die digitale Transformation ist ein fortlaufender Veränderungsprozess mit tiefgreifendem Einfluss auf uns als Einzelpersonen, auf uns als Gesellschaft, auf den Staat und die Wirtschaft. Da kann man nun in Panik geraten oder die Hände auf Augen und Ohren pressen und die Situation ignorieren bis man mit vollem Karacho gegen die Wand fährt – egal, für welche Variante man sich entscheidet, die Zukunft können wir dennoch nicht vorhersehen. Wir können spekulieren, Trends beobachten und versuchen einen educated guess zu formulieren. Wir können letztlich nur versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten. Dann lässt man das auch fein mit der Karacho-Wand-Affäre – macht keinen Spaß, glaub’s mir.

educated guess:

a guess that is made using judgment and a particular level of knowledge and is therefore more likely to be correct

Cambridge Academic Content Dictionary © Cambridge University Press

Wenn ich jetzt einen educated guess formulieren müsste: Menschen werden in naher Zukunft als Arbeitnehmer nicht ersetzt werden, ihre Aufgabenstellungen und Verantwortlichkeiten werden sich aber signifikant verändern. Simple, repetitive Aufgaben werden automatisiert – nicht heute, nicht morgen, aber abhängig von der Komplexität der Aufgabenstellung wird es früher oder später passieren.

Aber es gibt Fähigkeiten und Aspekte unseres Daseins, die werden so schnell nicht ersetzt werden, eben weil sie uns so menschlich machen: Strategisches Denken, der Wille zu lernen und die daraus resultierende Fähigkeit querzudenken, auch gerne thinking outside the box geschimpft.

Strategisches Denken

Analytisches Denken kann bis zu einem gewissen Grad von künstlicher Intelligenz übernommen werden, natürlich – aber die Interpretation von Datensätzen, von Trends und menschlichem Verhalten kann nur bis zu einem gewissen Grad wegrationalisiert werden. Bisher wurde noch keine starke KI entwickelt, die dazu in der Lage wäre.

Schwache KI:
Regelbasierte Systeme, die Lösungen für bestimmte, vorab definierte Probleme suchen. Oberflächliche Problemlösung, die in ihrer Methode nicht variiert. Kann deshalb auch nicht auf Veränderungen adäquat reagieren.

Starke KI:
Systeme, die planen, lernen und entscheiden. Kombinieren eigenständig und weisen „logisches Denkvermögen“ auf, wodurch sie auf Veränderungen eigenständig und adäquat reagieren können.

Was ist strategisches Denken?

Strategisch denken heißt, zukunftsgerichtet zu denken und zu planen – basierend auf logischem Denken und Interpretation. Beim logischen Denken kommen zwei Schlüsselelemente zusammen: Zusammenhänge müssen verstanden werden und Kontext muss gegeben sein. Zusammenhänge und Kontext ermöglichen es, eigene Interpretationen zu formulieren und anhand dieser für die Zukunft zu planen.

Warum sich Maschinen mit Strategie schwer tun

Dabei wird das Menschliche immer elementarer werden. Anhand von Daten kann man zwar die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse berechnen und anhand dieser Ziele formulieren. Aber da wo Menschen sind, kommen unzählige unbekannte Variablen zusammen. Als Mensch bin ich in der Lage das Verhalten anderer zu interpretieren und dieses in mein Denken einzubeziehen. Maschinen können lernen, Menschen zu lesen – aber sie zu motivieren, sie empathisch zu behandeln, das könnten sie nicht auf vergleichbarem Level nachahmen. Strategisches Denken ist mehr als Ziele formulieren – es ist das Interpretieren zahlreicher harter, datenbasierter und weicher, menschlicher Faktoren. Und das Formulieren einer Strategie setzt vor allem eins voraus: Eigenmotivation. Während Maschinen ein vorgegebenes Ziel benötigen, entstehen menschliche Ziele (und Träume!) aus vielfachen, komplexen Gründen.

Ein Beispiel:

Eine Maschine kann lernen, Diagnosen zu erstellen. Um möglichst präzise Diagnosen zu erstellen, muss die Maschine mit möglichst vielen Fallbeispielen „gefüttert“ werden. Es gibt nur das extern vorgegebene Ziel: akkurate Diagnosen formulieren. Ein Mensch muss zwar auch möglichst viele Beispiele und Fälle bearbeiten, um zu lernen – aber die Motivation ist nicht, Diagnosen zu stellen. Das Ziel eines menschlichen Arztes ist nicht, präziser sagen zu können, was dem gegenüber fehlt – sondern zu helfen. Und um dieses Ziel zu erreichen, reicht eine Diagnose nicht aus. Um zu helfen braucht zum Beispiel auch noch Empathie, eine vertrauenswürdige Ausstrahlung, beruhigende Worte – und nicht nur ein Ergebnis.

Der Wille zu lernen

Wer Lernen Teil des täglichen Lebens werden lässt, wer regelmäßig brainstormt, schreibt, zeichnet, dem wird vieles leichter von der Hand gehen. Und wer ständig ein bisschen lernt, der wird Freude daran empfinden und vor allem besser auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft positioniert sein.

Lernen, um relevant zu bleiben

Natürlich werden uns künstliche Intelligenz und Maschinen nicht komplett ersetzen können; aber wir müssen auch unseren Beitrag dafür leisten, uns nicht selbst obsolet zu machen. Die Arbeitswelt wird sich auch im veränderungsscheuen Deutschland mit zunehmender Geschwindigkeit wandeln und weiterentwickeln, da muss der Arbeitnehmer von heute Schritt halten können.

Allerdings sollten auf dem „Curriculum“ des modernen Arbeitnehmers nicht bloß spezifische Fähigkeiten wie bestimmte Programmiersprachen oder Sprachen stehen, sondern vor allem Soft Skills. Denn wer seine Führungsphilosophie weiterentwickelt und an Menschen ausrichtet, menschliches Verhalten versteht und Konflikte managen kann, wird in der Zukunft immer wichtiger werden – denn, wir wissen schon, das Menschliche wird wichtiger. Aber gerade die Fähigkeit des Lerntransfers wird elementar sein, um sich schneller und besser auf die sich wandelnden Umstände einrichten zu können.

Thinking outside the box

Kreative Ideen, innovative Ansätze, clevere Ideen – das sind alles geistige Leistungen, die scheinbar teils Glückssache, teils Zufall und teils Ergebnis passender Umstände sind. Aber sie liegen viel mehr in unserer eigenen Hand als wir vielleicht wahrhaben möchte. Sie sind wie Muskeln: Wer sie ständig beansprucht, trainiert und dehnt, dem wird es über längere Zeit leichter fallen und bessere Ergebnisse liefern.

Lernen ist zwar die Basis künstlicher Intelligenz. Doch maschinelles Lernen und menschliches Lernen werden sich noch auf unbestimmte Zeit dahingehend unterscheiden, dass maschinelles Lernen zielgerichtet und zweckgebunden stattfindet. Menschliches Lernen hingegen, ist „unordentlich“ und ermöglicht Lerntransfer – und somit Innovation.

Was heißt das nun für mich?

Wir mögen den Herausforderungen, vor die uns die heutige Zeit stellt, zwar skeptisch entgegenblicken – und das zurecht. Arbeit, wie wir sie heute und die Generationen vor uns kannten, nimmt eine nie dagewesene Form an. Arbeit könnte in der Zukunft zum Beispiel durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für das wirtschaftliche Überleben von Einzelpersonen keine Notwendigkeit mehr sein. Stattdessen wandelt sie sich zu einer sinnstiftenden Tätigkeit.

Aktuell stehen wir an einem Wendepunkt, der sich zunächst als Generationskonflikt dargestellt hat: Die Generation Z wird gerne für ihre Sinnsuche in der Arbeitswelt belächelt. Gleichzeitig sind sie aber auch eine Generation, die mit den Nachwirkungen von 2008 aufgewachsen ist, die bezweifelt, dass sie überhaupt noch eine Rente erhalten wird und meiden den Immobilienkauf. Aufgewachsen in einem Umfeld voller Unsicherheit, hat sich die Grundeinstellung festgesetzt, dass nichts von Dauer ist – und dann soll die Arbeit wenigstens einen Sinn haben.

Ob diese Unsicherheit in den nächsten Jahren abnehmen wird, ist ungewiss. Doch eins steht fest: Der Wandel der letzten zehn Jahre wird nur noch schneller stattfinden – und wir sehen uns mit einer so nie da gewesenen Situation konfrontiert.

Das bringt ein großes Set an Problemen mit sich, ohne Frage. Aber hinter alldem steckt auch eine Chance: Wenn Menschen irgendwann nicht mehr arbeiten müssen, sondern können und wollen – was können wir dann erreichen? Doch allem voran stehen wir vor einer gigantischen Herausforderungen: Die Chancen der digitalen Transformation können wir nur wahrnehmen, wenn wir als Gesellschaft lernen, für alle zu sorgen und die Kluften zu schließen.

Quelle: Markgraf, Daniel. (2018). AKAD Studien 003 – Arbeitswelten im Wandel – Auswirkungen digitaler Transformation.

Warum Podcasts so gut funktionieren – und was sich das Radio abgucken kann

Eine der gebetsmühlenartig wiederholten Binsenweisheiten während meines Studiums war immer wieder: „Das Radio ist scheintot. Gehört wird es vor allem vormittags auf dem Weg zur und während der Arbeit.“ Dazu wurde uns stets diese Grafik gezeigt, die in der Langzeitstudie Massenkommunikation von ARD und ZDF passenderweise zusammengefasst wird mit den Worten: „Radio ist der Tagesbegleiter und leistet bereits ab dem morgendlichen Aufstehen den Menschen Gesellschaft. Am meisten genutzt wird es zwischen 7.30 Uhr und 11.00 Uhr, in diesem Zeitabschnitt hören mindestens 25 Prozent der Bevölkerung Radio. Die Nutzung sinkt über den weiteren Tag kontinuierlich und fällt ab ca. 18.30 Uhr stark ab.“

Abbildung 4 aus der Langzeitstudie "Massenkommunikation" von ARD und ZDF mit dem Titel "Mediennutzung im Tagesverlauf 2015 bei der Gesamtbevölkerung". Die Grafik zeigt u.a. dass die Radionutzung am Vormittag am stärksten ist.

Aber nur, weil das Radio an einem Scheidepunkt der Relevanz steht, heißt das nicht, dass die ursprüngliche Rolle des Radios irrelevant ist. Musik-Streaming-Dienste waren die ersten, die dem Radio den Rang abgelaufen haben. Wichtig, wenn auch meist vergessen, ist aber auch der meinungsbildende, informierend-unterhaltende Aspekt des Radios. Themen-Sendungen, Interviews, Diskussionen – all das ist nicht plötzlich unwichtig geworden. Es hat nur eine neue Form angenommen: Podcasts.

Wie können Podcasts eine Inspiration für Radiosendungen sein? Und warum sind sie so ein starkes Format?

Eigentlich sollten Podcasts nach der aktuellen Content-Logik scheitern: Sie sind meist lang, nicht audiovisuell, sehr themenspezifisch und sind schwer zu finden, wenn man nicht explizit nach ihnen sucht. Aber sie laufen. Eben weil sie einen thematischen Deep Dive ermöglichen und extrem nischig sind.

Thematischer Fokus mit Podcasts

Durch ihre spitze Zielgruppenausrichtung erreichen sie wirklich nur die Leute, für die diese Inhalte auch relevant sind. Gleichzeitig ermöglicht der Fokus auf das Auditive den Fokus auf den Inhalt, das tatsächlich Gesagte. Kein ästhetischer Schnickschnack, keine ablenkenden Bilder, kein Bedarf, sich auch noch um die Bildgestaltung kümmern zu müssen. Der Dialog (oder Monolog) muss stimmen, muss inhaltlich Hand und Fuß haben.

So kann man die Story auch durchdacht aufbauen, statt das Nötigste in wenige Minuten quetschen zu müssen. Das ist schließlich ein elementares Problem für das Radio: Durch ständige Unterbrechungen und Zuhörer, die zu jeder Zeit ein- oder aussteigen, muss Gesagtes immer wieder wiederholt werden und kann nur eine begrenzte Tiefe erreichen. Wer sich aber für die Podcast-Folge interessiert, weiß, worauf sie sich einlässt und ist bei überzeugendem Inhalt bereit, die Zeit zu investieren. Es besteht kein Zwang, die Story unter erhöhtem Zeitdruck erzählen zu müssen.

Leicht und immer verfügbar – Podcasts machen es dem Zuhörer leicht

Die Entscheidung eine Podcast-Folge zu hören, findet bewusst statt. Das Gerät, um ihn zu hören, ist in aller Regel stets dabei: Zwei Drittel der Hörer nutzen das eigene Smartphone. Apps wie Spotify und iTunes laufen mittlerweile fast überall, zumal die Folgen meist auch heruntergeladen werden können. Egal, ob auf der Pendelstrecke, nebenbei im Haushalt oder ganz bewusst, ohne etwas anderes zu tun, Podcasts können quasi jederzeit ohne größeren Aufwand gehört und pausiert werden. Und da sie nicht audiovisuell funktionieren, sind sie noch leichter zu konsumieren als On-Demand-Videos, die auf Fernseher oder Laptop doch angenehmer zu sehen sind als auf dem Smartphone-Bildschirm.

Aber natürlich müssen Podcasts nicht ausschließlich gehört werden. Genauso gut lassen sie sich auch multimedial aufbereiten. Seien es Video-Varianten des Podcasts, so wie es The Mustards machen, oder die Einbindung in Blogartikel oder Transkripte – die Audioversion kann als Basis dienen, aber nach Wunsch und Bedarf weiter ausgebaut werden.

Kein Schnickschnack nötig: Podcasts konzentrieren sich auf das Wesentliche

Anders als Content, der mit einem Multimedia-Konzept erdacht und erstellt wird, müssen monomediale Inhalte die gewünschte Nachricht allein, direkt und zielgerichtet übertragen können – ohne sich auf weitere Methoden stützen zu können. Klingt abstrakt, ist aber simpel: Während Person X im Video per Bauchbinde mit Namen, Titel und Beruf vorgestellt werden kann, muss der Podcast diese Informationen kurz und knapp vermitteln ohne direkt zu langweilen. Diagramme können nicht gezeigt, sondern müssen zusammengefasst werden. Emotionen müssen hörbar gemacht werden, wenn man sie nicht sehen kann. Und und und…

Dieses grundlegende monomediale Gerüst auszubauen, ist leichter als etwas als Multimedia-Inhalt konzipiertes zu reduzieren.

Smallest viable market: Podcasts funktionieren durch den Fokus auf relevante Zielgruppen

Und zu guter Letzt: Podcasts sind leicht produziert und nicht für die Masse gedacht – und sind somit so viel lohnender. Radio und auch Fernsehen sind davon abhängig von einer gewissen Masse konsumiert zu werden. Wenn der ROI nicht positiv und signifikant ist, werden Projekte schnell eingedampft. Und das macht auch Sinn.

Podcasts wiederum lassen sich schnell und vergleichsweise preiswert produzieren und auf bereits etablierten Plattformen hosten. Gleichzeitig ist der Druck sehr viel geringer, eine Vielzahl an Menschen zu begeistern. Stattdessen kann der Content Creator sich auf die wirklich relevante Zielgruppe konzentrieren und auf den smallest viable marketing bauen. Und das sollte eigentlich für viel mehr Inhalte und Kanäle gelten. Statt allen gefallen zu wollen, sollte der Fokus darauf liegen, den Richtigen zu gefallen.

“It’s impossible to create work that both matters and pleases everyone.”

Seth Godin, This Is Marketing: You Can’t Be Seen Until You Learn to See

So kannst du auch um einiges effizienter agieren. Wem deine Inhalte richtig gefallen, der wird regelmäßig auftauchen und gegebenenfalls Geld dalassen. Das sind Konsumenten, die lohnen. Schließlich ist das Internet auch keine kommunikative Einbahnstraße.  Fans werden deine Inhalte teilen, weiterempfehlen, kommentieren und noch viel mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass wenigstens ein oder zwei Freunde deiner Fans deine Inhalte auch ganz toll finden… Nun, dass muss ich nicht erklären.

Wer deine Sachen aber mal so, mal so findet, wird kein zuverlässiger Konsument sind – und ist zu unzuverlässig, um sicher berücksichtigt zu werden. Geschweige denn dir Unterstützung zu bieten.

Da ist es in gewisser Weise wie im echten Leben: Du musst es nicht allen recht machen, sondern nur denen, die zählen. Alles andere ist reine Zeitverschwendung.

Fokussiert, leicht konsumierbar und ziel(gruppen)gerichtet – deshalb funktionieren Podcasts

Anders als Radiosendungen können Podcasts also nahezu immer und überall konsumiert werden ohne allzu viel relativen Produktionsauswand zu erfordern. Die größte Stärke ist aber wohl, dass Podcasts nahezu immer auf spitze Zielgruppen ausgerichtet sind. Während die großen Mainstream-Radiosender in ihren Inhalten austauschbar wirken (Charts, wie revolutionär!), zählen Podcasts auf Masse statt Klasse. Und das ist mit Sicherheit ein Trend, der die nächsten Jahre in jeder Hinsicht enorm prägen wird.

Du denkst, du weißt nicht genug über dein Lieblingsthema, um einen Podcasts zu produzieren? Dann schau dir doch mal diesen Beitrag an.

Weiterführende Links:

Zeitmanagement – arbeite effizienter mit der Pomodoro-Technik

Die Pomodoro-Technik ist für viele schon ein alter Hut, andere wiederum haben noch gar nichts von ihr gehört. Da ich nun schon seit Jahren auf sie schwöre, möchte ich sie heute vorstellen – und erklären, warum die Technik so genial einfach ist.

Wer ein bisschen Italienisch beherrscht, wundert sich vielleicht, warum ich von Tomaten und Zeitmanagement schreibe. Nun, entwickelt wurde die Technik in den 1980ern von Francesco Cirillo. Die Basis seiner Idee war es in Intervallen abwechselnd zu arbeiten und zu ruhen – Intervalle, die er zunächst mit einer Küchenuhr in Form einer Tomate maß.

Wozu nun aber der ganze Hickhack?

Wir können uns nur eine begrenzte Zeit lang fest auf eine Aufgabe konzentrieren – je länger wir arbeiten, desto unkonzentrierter werden wir, lassen uns ablenken, machen Fehler. Wie lange sich ein Mensch im Schnitt auf eine Sache konzentrieren kann, ist empirisch nicht bewiesen – meist werden Werte zwischen zehn und 20 Minuten in den Raum geworfen. In den letzten Jahren kam vermehrt die Behauptung dazu, dass jüngere Generationen immer kürzer werdende Konzentrationsspannen aufweisen – eine weitere nicht konkret bewiesene Behauptung. Aber wenn man behauptet, dass sich selbst Goldfische mittlerweile länger konzentrieren können als diese verfluchten Millennials, ist das natürlich eine geile Headline, nicht wahr?

Goldfische in allen Ehren, der Vergleich hinkt – und zwar gehörig. Wie lange und wie gut wir uns konzentrieren können, hängt extrem von der Aufgabe ab. Die Umgebung, die psychische Verfassung, Gesundheit, Lebensstil und -situation spielen eine erhebliche Rolle. Ob sich ein Goldfisch um die nächste Steuererklärung, Miete und die Schulnoten des eigenen Kindes sorgen muss, halte ich für zweifelhaft. Wie will man Konzentration überhaupt vergleichbar definieren ohne Gedanken zu lesen? Der Punkt ist, dass Smartphones und Co. uns gehörig ablenken, sie machen uns aber längst nicht zur Dory der Säugetiere.

Ein GIF von "Findet Nemo", das Marlin und Dory zeigt. Sie sagt: "I forget things almost instantly."
Der Vergleich hinkt natürlich: Dory von „Findet Nemo“ hat Gedächtnis-, nicht Konzentrationsprobleme. Dass die beiden Felder aber eng zusammenhängen, ist kein Zufall.

Das Problem ist viel mehr die Routine unseres Alltags – das kann von Familienmitgliedern über laute Baustellen bis zu unserem Smartphone-Gebrauch gehen: Unsere Umgebung bietet ständig neue Reize, auf die wir reagieren müssen oder glauben, reagieren zu müssen. Statt also Goldfische zu beneiden, müssen wir selbst Umgebungen schaffen, die konzentriertes Arbeiten zulassen.

Sich Zeitintervalle ungestörten Arbeitens einzuteilen und diese maximal zu blocken, ist ebenso einfach wie genial. Es gibt festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten, die nicht zu debattieren sind.

Die Vorteile sind klar:

  • kurze Intervalle sind leichter umsetzbar als lange – und weniger abschreckend
  • kurze Pausen helfen der Regeneration ohne vollkommen aus dem Thema zu kommen
  • genaues Tracking der Produktivität
  • repetitives Verhalten fördert das Entwickeln von Gewohnheiten – mit der Zeit findet man seinen Fokus einfacher und schneller
  • vordefinierte Ziele machen das Bearbeiten einer Aufgabe einfacher und sind leichter erreichbar
  • Reduzierte Ablenkungsquellen

Was also braucht man, um die Pomodoro-Technik anzuwenden?

  • einen Plan haben: Was willst du in der definierten Zeit erreichen?
  • deinen Timer, egal ob Küchenuhr, Handy-Timer oder App, auf einen definierten Zeitraum stellen. Die Regel sind 25 Minuten, das kannst du aber anpassen
  • Bearbeite die definierte Aufgabe in diesem Zeitraum.
  • Ist die Zeit abgelaufen, machst du fünf Minuten Pause – danach wiederholt sich die nächste Bearbeitungsphase

Je länger du arbeitest, desto eher wirst du eine längere Pause brauchen. In der Regel heißt es, dass nach vier Bearbeitungsphasen eine Pause von 15 – 30 Minuten angebracht ist. Auch das hängt aber von dir und in welchem Rahmen du am besten arbeitest ab.

Während meines Studiums hatte ich eine bevorzugte App zum Tracken der Pomodoro-Phasen, allerdings sind die meisten Apps recht ähnlich. Theoretisch reicht auch der Standard-Timer deines Handys, ich persönlich bevorzuge aber Apps, die meine Sessions zählen und den Flugmodus während der Bearbeitungsphasen aktivieren.

Wie viele Produktivitätstechniken punktet die Pomodoro-Methode vor allem damit, dass sie nur die Basis legt und flexibel anpassbar ist an die individuellen Bedürfnisse des Anwenders. Wer lieber 15 oder 45 Minuten konzentriert arbeitet, muss sich keine Sorgen machen – der Kern der Technik ist die Arbeit in Intervallen.

Wer die Technik ein paar Mal angewendet hat, lernt eine Menge. Nicht nur tatsächlich an Lernstoff, sondern auch über sich selbst. Was ist deine größte Ablenkungsquelle, was lässt dich immer wieder zum Handy greifen? Diese Ablenkungsquellen sind an sich nichts Böses, allerdings lässt sich durch diese Technik ein kontrollierter Umgang während des Lernens oder Arbeitens erlernen.

Schrödingers Influencer: Warum machen alle [Werbung]?

Derzeit fluten Disclaimer wie [Werbung] die deutsche Ecke von Instagram – auch wenn man lediglich, das Café, in dem man das instagrammable Frühstück zu such genommen hat, markiert und ein Produkt empfiehlt, das man selbst gekauft hat und einfach gut findet, ganz ohne Aufforderung. Hintergrund ist ein Urteil des Berliner Landgerichts gegen die Bloggerin Vreni Frost – ein Urteil, dessen Echo schwer in der deutschen Medienblase diskutiert und an vielen Stellen aufgebauscht worden ist. Der durchschnittliche Instagram-Nutzer wird davon aber herzlich wenig mitbekommen haben bis kurz darauf die eingangs erwähnte [Werbung]-Flut Instagram überschwemmte. Für eine etwas ausgewogenere Einschätzung des Urteil kann ich übrigens diesen Artikel hier empfehlen. Übrigens, ist das jetzt unaufgeforderte, unbezahlte Werbung?

Ob und wie Influencer bezahlte Kooperationen oder unbezahlte, unaufgeforderte Empfehlungen als Werbung kennzeichnen müssen, möchte in diesem Beitrag nicht erläutern – sondern woher diese Aufmerksamkeit auf Influencer Marketing kommt.

Trust me, I’m an influencer

Es klingt eigentlich zu gut um wahr zu sein: Man empfiehlt Produkte, die einem gratis zugesendet worden sind und du kriegst Geld oben drauf. Aber warum lassen sich Marken überhaupt auf dieses Spiel ein? Es ist eigentlich denkbar einfach: Wenn klassische Werbung zwar noch funktioniert, aber längst nicht mehr so gut wie früher, und Online-Werbung vor den meisten Adblockern in die Knie geht, dann muss man eben umdenken. Und Influencer sind die eierlegende Wollmilchsau für Marken: Sie haben die mediale Reichweite, bringen eine vorausgewählte Zielgruppe mit sich und das Interesse und meist sogar Vertrauen der Follower – perfekte Grundvoraussetzungen.

Was heißt hier aber Vertrauen? Vergleichen wir doch folgende Situationen: Du siehst ein Plakat auf der Straße, dass dir einen neuen Brotaufstrich empfiehlt. Würdest du den Aufstrich kaufen? Vielleicht, wenn dich die Geschmacksrichtung anspricht oder wenn du bereits ähnliche Produkte dieser Marke ausprobiert und für gut befunden hast. Nun stellen wir uns vor, du hast zuvor noch nie von diesem Aufstrich gehört und ein Bekannter empfiehlt es dir ganz nebenbei, weil er oder sie ihn so gut findet. Muss ich noch fragen, welcher Empfehlung du eher nachgehen würdest? Wir hören eher auf Freunde, Familie und Bekannte, weil sie (vermutlich) nichts davon haben, dir ein Produkt weiterzuempfehlen. Weil Produktempfehlungen nicht das einzige Thema in eurer Beziehung sind, sondern nebenbei passieren. Und diese Personen kennen dich und wissen vermutlich, was zu dir passt und was nicht. Das, was wir üblicherweise als Werbung wahrnehmen, sei es nun ein Plakat, ein Radio-Spot oder eine Online-Anzeige kann nur hoffen, dich so auf dich zugeschnitten ansprechen zu können. Tatsächlich hören im weltweiten Schnitt 83% der Bevölkerung auf Empfehlungen von Bekannten und Familie – ein Wert, von dem klassische Werbung nur träumen kann.

Kenne deine Zielgruppe und du bist der Boss

Und hier bauen Influencer eine faszinierende Brücke: Sie sind die Person, die wie du und ich ist, vielleicht augenscheinlich ein bisschen cooler und informierter. Aber sie verringern die Distanz zwischen den Konsumenten und der Werbung. Sie sind vielleicht nicht dein Freund, aber sie können sich ein bisschen wie einer anfühlen, wenn sie auf Kommentare und Nachrichten antworten und in ihren Bildunterschriften immer dieses ominöse „euch“ benutzen: „Was steht bei euch heute so an? Wie findet ihr das und das?“ Da ist es also wenig verwunderlich, dass nach einer Studie der Keller Fay Group 82% der Konsumenten „sehr wahrscheinlich“ der Produktempfehlung eines Micro-Influencers nachgehen würden. Nicht unwichtig ist dabei auch die Einschätzung von Influencern als Experten, auch wenn tatsächlich das Gegenteil leider oft der Fall ist. Hier spielt eine grundlegende Theorie der Kommunikationswissenschaften eine große Rolle: die der Meinungsführerschaft. Menschen, die sich weniger intensiv mit Themen beschäftigen und informieren, suchen oder nehmen Rat von Menschen an, die sich intensiv mit den entsprechenden Themen auseinandersetzen und daher als kompetent, also als Meinungsführer, betrachtet werden. Auch wenn die These von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet nicht eindeutig nachzuweisen ist, bleibt sie bis heute (vielleicht sogar mehr denn je) relevant – besonders im Online-Raum. Jeder größere Instagram-Account hat einen spezifischen Fokus, seien es Beauty, Ernährung, Sport, Reisen oder ähnliche. Die Annahme, dass die Person hinter diesem Account sich folglich gut mit diesen Themen auskennt, ist naheliegend – wer sich so häufig mit einem Thema auseinandersetzt, wird schon wissen, wovon er oder sie redet. Oben drauf hilft diese thematische Ausrichtung Marken natürlich die passende Zielgruppe zu finden: Vegane Nahrungsergänzungsmittel lassen sich beispielsweise besser über einen veganen Instagrammer verkaufen als über den Steak liebenden Fitness-Influencer.

Wunderwaffe Influencer-Marketing?

Das Influencer-tum ist aber auch ein zweischneidiges Schwert: Marken suchen zwar Menschen mit einer großen Followerzahl, denn schließlich können die eine größere Zahl an potenziellen Kunden ansprechen. Wer aber viele Follower hat und häufig Produkte empfiehlt – erst recht, wenn die empfohlenen Marken häufig wechseln und selten wiederkehren – verliert auf Dauer an Vertrauens- und Glaubwürdigkeit. Daher auch die Differenzierung zwischen Influencern und Micro- und Macro-Influencern in der oben erwäjhnten Keller Fay Studie. Denn letztlich kommt das Vertrauen nicht durch die Anwesenheit auf der gleichen Plattform, sondern durch die Beziehungspflege. Wie in nahezu allen Aspekten der Kommunikation, sei sie nun politisch, kommerziell oder privat, kommt auf die Beziehung und Authentizität der Beteiligten an. Denn wer mag schon Lügner?

Und genau deswegen ist eine Diskussion solcher Fragestellungen wie im Fall Vreni Frost im öffentlichen Raum so wichtig: Solange Konsumenten unaufgeklärt sind und keine Möglichkeit haben, zwischen privaten und kommerziellen Empfehlungen zu unterscheiden, bleibt viel Raum für Unfug und Heuchelei. Ob es aber sonderlich förderlich ist, pauschal alles als Werbung zu deklarieren, ist fraglich. Ebenso wie die Tatsache, dass solche Themen selten die Medienblase verlassen und die Allgemeinheit erreichen. Da brauchen wir wohl dringend mehr Meinungsführer im Medien- und Online-Bereich.

Medienkonsum: Warum ich gerne die Spielverderberin bin

Um mit mir Filme oder Serien zu sehen, muss man Nerven haben – dessen bin ich mehr sehr bewusst. An meinem Verhalten (in diesem Kontext) werde ich in naher Zukunft dennoch nichts ändern – denn ich bin der festen Überzeugung, dass Medien kritisch betrachtet werden sollten. Und das gilt vor allem für Unterhaltungsmedien. Das bekommt der Freund derzeit wieder schwer zu spüren, denn wir schauen Penny Dreadful – er zum ersten Mal, ich zum zweiten Mal und habe deswegen natürlich umso mehr Vorwissen und Anlass zum Kommentieren. Was ich sehr oft tue. Ich liebe diese Serie über alles – gerade weil sie so unperfekt ist, ihre Probleme hat und sich so herrlich kontrovers diskutieren lässt. Aber warum kann man denn Unterhaltung nicht einfach als Unterhaltung genießen, vollkommen frei von Interpretationen und Ideologien? So gut gemeint der Wunsch nach Unterhaltung um der Unterhaltung Willen auch sein mag, ich halte ihn nicht nur für unerfüllbar, sondern auch für naiv.

Kinder durchleben im Laufe ihrer Entwicklung verschiedenste Phasen – Erwachsene genauso, wir neigen nur dazu das zu ignorieren. Manche Erwachsene bleiben sogar ganz Kind. Und Medien haben einen wahnsinnigen Einfluss auf diese Phasen, dazu muss man nur an Fastnacht, Halloween oder Eltern auf ihre Kinder im Elsa-Kostüm ansprechen. Man erinnere sich auch an den Trubel um Harry Potter in den 90ern und 00ern und wie die Fantasy-Reihe auch jetzt noch (m)eine Generation bewegt. Obwohl wir doch wissen, dass Kinder jeglichen Input um sich herum wie Schwämme aufsaugen – wenn auch glücklicherweise nicht immer ganz unkritisch – fehlt oft das Bewusstsein für die Inhalte, die wir ihnen vorsetzen. Und selbst wenn man sich dessen bewusst ist, fällt die Selektion schwer. Und das nicht ohne Grund, wenn es doch oft genug die Erwachsenen sind, die vollkommen unkritisch Medien konsumieren. Wenn Frauen 50 Shades of Grey als romantisch-erotisch wahrnehmen und es ihnen auch so verkauft wird, trotz der offensichtlichen Parallelen zu häuslicher Gewalt, Missbrauch und Manipulation, dann fragt man sich, in welchen Maßen der moderne Mensch wirklich emanzipiert und kritisch Medien konsumiert. Auch wenn wir alle Dinge hinterfragen können, muss das kritische Betrachten von Medien meist erst gelernt werden. Und mit kritischem Betrachten meine ich nicht die trump’sche Trotzreaktion, wenn etwas nicht gefällt, sondern Muster, subtile und nicht immer absichtliche Nachrichten zu erkennen. Die Werkzeuge dafür, werden im Laufe der Schulzeit meist angedeutet oder vielleicht sogar gegeben, aber vielen auch im gleichen Schritt schon madig gemacht. Wenn Schüler  – und Lehrer! – in der Interpretation von Texten nur eine langweilige Pflichtübung sehen und nicht das Erlernen eines tieferen Verständnisses, wie kann man dann Interesse daran entwickeln auch im eigenen Alltag später Medieninhalte zu verstehen?

Es wäre wahrscheinlich eine angenehme Abwechslung, wenn man einen Film oder eine Serie anschalten könnte, die man vollkommen unpolitisch betrachten könnte. Einfach nur unterhalten werden ohne sich Gedanken machen zu müssen – das wünsche ich mir selbst oft genug, denn auf Dauer kann es auch sehr anstrengend sein, in jedem Kontext das Positive und Negative zu sehen. Aber die Grenze zum mutwilligen Ignorieren und Schönreden ist schnell überschritten. So wie es angenehmer wäre, jedes Zurufen und Nachstarren auf den Straßen zu ignorieren, will man doch einfach Ruhe und kann solche Geschehnisse nur aktiv verdrängen. So lernt man auch in Filmen und Serien Gegebenheiten zu bemerken, die einem (unangenehm) auffallen – und es ist schwieriger im Nachhinein diese aktiv zu ignorieren, um Medien bloß zur Unterhaltung zu konsumieren. Es hat seinen Grund solche Gegebenheiten zu bemerken, denn es zwingt dazu sich mit ihnen auseinanderzusetzen, man entwickelt eigene Standpunkte und es macht einem zum mündigen Rezipienten. Wer sich kritisch mit Inhalten auseinandersetzt, wird zum aktiven Part statt zum passiven Rezipienten.

Und diese aktive Rolle lässt einen mitgestalten – nicht immer direkt, aber dennoch aktiv. Aber warum sollte ich Filme und Serien mitgestalten wollen? Ich will sie doch nur sehen? Wer kritisch Medien konsumiert, sein Feedback teilt und bewusst Inhalte wählt, die er sehen möchte, der vermittelt, welche Inhalte gut ankommen. Stark vereinfacht gesprochen: Wer Filme mit schlecht entwickelten Charakteren und langweiligen Handlungen kritisiert, anderen davon abrät, sich diese Filme anzusehen und sie selbst nicht rezipiert, vermittelt damit einen klaren Standpunkt. Schließen sich dem genug Menschen an, müssen Filmemacher reagieren und nachforschen, wo das Problem liegt. Auf Dauer werden sie gezwungen sein, Filme mit komplexeren Charakteren und interessanteren Handlungen zu machen. Schweigt aber jeder bei solch schlechten Filmen und schaut sie sich trotz der schlechten Qualität an, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt irgendwer den Mund öffnet. Medieninhalte sind ein maßgeblicher Teil unserer Gesellschaft, sie sind eng verwoben mit der öffentlichen Meinungsbildung – selbst wenn es fiktive, unterhaltungsorientierte Inhalte sind – und unterliegen ständigem Wandel. 50 Shades of Grey mag erfolgreich sein und eine riesige Fangemeinschaft haben; aber da gibt es auch die Menschen, die die Bücher und Filme offen kritisieren, die Probleme zum Thema machen und andere Personen damit sensibler für diese Themen machen.

Auch Unterhaltung vermittelt Wert – und das oft mit so viel mehr Schlagkraft als erzieherische Versuche, eben weil Unterhaltung subtiler funktioniert. Sieht ein Kind umso mehr Filme und Serien, die Mädchen als passive Prinzessinnen zeigen, die auf Rettung angewiesen sind, und Jungen als starke Helden, die niemals Angst haben und Gefühle zeigen dürfen, wird diese Auffassung mit jedem Inhalt mehr verstärkt bis die Kinder sich gar nicht mehr bewusst sind, dass das ursprünglich gar nicht ihre eigene Idee war. Wir können uns diesen subtilen Nachrichten niemals ganz entziehen und Medieninhalte möchten diese Werte womöglich gar nicht bewusst vermitteln – diese Inhalte werden schließlich auch nur von Menschen gemacht, die selbst mit unterschwelligen Nachrichten konfrontiert werden. Aber sprechen wir darüber, wie wir etwas wahrnehmen, kritisieren es, diskutieren darüber und tauschen uns aus, dann profitieren wir alle von diesem Lernprozess.

Ein GIF von Gilmore Girls zu Filmen

The Digital Revolution of HR?

Stefanie Stanislawski firmly believes that HR will become the next big thing – and this is why she founded PredictivePeople, a computing software analysing employees‘ level of (dis-)engagement, stress and satisfaction in a company. In this interview, she shares her views on the future of modern work, diversity and motherhood and entrepreneurship.

Heute ausnahmsweise ein Beitrag auf Englisch, denn meine Interview-Partnerin Stefanie Stanislawski kann zwar Deutsch, fühlt sich auf Englisch aber wohler. Sie ist die Gründerin des Startups PredictivePeople, das im Kern eine Software ist, die die Zufriedenheit der Arbeitnehmer misst. Woher diese Idee stammt und warum ihr die Weiterentwicklung von HR so wichtig ist, erzählt sie mir im Interview.

Sirona: I’ve heard you talk about PredictivePeople and done my research. But I’d like to hear from you again: What is PredictivePeople and why does it matter?

Stefanie: Well, first of all, thank you for taking the time to research about PredictivePeople!
PredictivePeople is a disruptive cognitive computing software which measures employees’ levels of engagement and stress, while suggesting a personalised approach to retain talent – which includes a detailed guideline for the manager and HR, and access to a tailored rewards platform for the user.
To do so it synthesizes data from various information sources, such as internal data (like corporate emails and chats) and publicly available information (such as social networks, blogs, job boards and others). Our algorithm weights context and conflicting evidence to suggest the best possible outcome. To achieve this, we use self-learning technologies that use data mining, pattern recognition and natural language processing (NLP) to mimic the way the human brain works.

It matters because companies are facing a huge disengagement problem, according to recent studies only 12% of their employees are fully engaged, representing an annual global cost of $7 trillion. Nations are seeing a peak in healthcare costs due to stress-related diseases. And individuals like you and I are tired of working for a company where we’re not treated as unique, where no one has the time to know who we are, what we want and how we are feeling. And I really believe this will worsen with the Millennials and further generations.

Sirona: What sparked your passion for HR and talent acquisition? Has there been a key moment that you can connect to the idea of PredictivePeople?

Stefanie: I am an engineer, but I’ve been working in HR for over 10 years. I just knew it from the start – I tried other departments, but nothing made me as happy as HR does. I always used to say HR would become the “next-big-thing” in any corporation, and I guess I wasn’t wrong!
The connecting moment was back in 2015 – I was extremely disappointed, demotivated and stressed at work, and realized no one cared or noticed. And I wasn’t the only one, but managers didn’t have the time to recognize the problem, and there were no tools around to help them figure out things.

Sirona: „PredictivePeople has been created to help organizations get visibility of people who are disengaged in the company, predict who has the highest chance of success to perform in the role and to map the market for possible successful candidates.“ How does PredictivePeople even define engagement and disengagement?

Stefanie: We don’t, users do. We believe people are the main driver of business success, and that’s why we are building a dynamic algorithm which adjusts to the person, and not the other way around. What causes me to become disengaged, could be very different to you or someone else. Especially if you include things like cultures or locations, the algorithm needs to be smart enough to adapt and learn from individual behaviours.
Our system analyses over 200 weekly meta data to measure the variables that influence whether an employee is at risk of burnout or disengagement.

Sirona: „Disengagement in a company“ sounds really negative, it might even give the employee a bad reputation and negatively influence how their performance is seen. How does PredictivePeople deal with this problem? And what about „real-time visibility of an employee’s engagement“- this can sound rather intrusive and big brother-like. What are your thoughts on that?

Stefanie: Well, first of all, 88% of employees are disengaged – it is no longer the problem of 1 person, this is a global emergency! And because companies are really struggling to find and keep talent, which has become the scarce resource, I don’t see why being disengaged would give an employee a bad reputation! On the contrary! Companies are now being „pushed“ to do something to revert the situation and make sure they can offer the right challenges for all, a healthy level of customization, sense of purpose and appreciation for their people.
I honestly think in today’s workplace; a month is already a very long time. Not to mention a year or three! Today’s engagement surveys are usually done once a year, in an anonymous way, with no real actions afterwards. This doesn’t change anything, and that’s why people no longer believe in these measures. PredictivePeople provide ongoing, unobtrusive scores so that managers know how their actions impact their teams – for example, what’s the ROE (return on engagement) from a corporate event? Or how is the new MKT director impacting on the sales team’s stress levels? The only way to quickly do something about it, is of you diagnose it on time.

Sirona: Do you think that sexism, racism, ageism and other forms of any sort of prejudice could be avoided with the help of PredictivePeople?

Stefanie: Yes, in the end, all answers are weighted equally. And I believe the real impact of this will come in a later stage of development, in which we’ll include predictive recruitment to the mix. The idea is that this is done 100% bias free. We’re still working on this part, and we expect to have it ready by 2020.

Sirona: Doesn’t this make recruiting teams obsolete?

Stefanie: No! I don’t think AI will replace humans, from my perspective it just provides us with the right tools and data to make faster and more accurate decisions in different areas. The same applies to recruitment, people will now know when they need to start hiring for new skills, before a person decides to leave, giving them enough room to manoeuvre.

Sirona: You also call yourself an advocate for women and millennials. How come? Plenty of people would say that we already have all we need.

Stefanie: I am a millennial mother, an entrepreneur, a business advisor, ambassador for a global women initiative, and I must say my life is not easy. If I could summarize it, the moment women (at any stage of their life) have the same professional opportunities as men, the moment society respects equally the decisions that a woman takes, and in the moment that a man has the same responsibilities and rights than a woman to exercise their role at home, then we can say that we have everything we need. But according to recent studies we’re still 200 years behind.

Sirona: What would you say is the key difference between Gen Y and older generations like the baby boomers career-wise? Do you think one of these generations is more prone to leave a job because of dissatisfaction?

Stefanie: Two things: our education and the access to technology. I could talk about this for hours, it’s a subject I am truly passionate about. Millennials and Baby Boomers had both very different foundations, and that shows in how we approach our careers. Millennials want to experience and learn, they have the need to feel special and unique, and with amazing education and distinctive skills, we’re slowly shaping the future of work. We don’t believe in loyalty or retiring from the same company. We just want to use our job as a platform to acquire knowledge and new experiences. Baby Boomers were hard-working, they delayed rewards as much as possible, they lived in a very prosperous market, which allowed them to benefit from social security, low mortgages…things newer generations won’t see.
Millennials are extremely demotivated at work, especially in Western Europe; rigidity of current structures don’t allow them to experiment, grow, experience and practice what they know. And in return, there’s a really high turnover rate from people of this generation.

Sirona: You talk about your company’s unique AI algorithm, an expression that is often talked about but still seen as an intimidating concept with many companies admitting their confusion about AI and how to use it. Do you think that this fear of the – for many still – unknown will make it harder for PredictivePeople to gain foothold in the B2B market?

Stefanie: Yes, but these things happen when new disruptive tech appears. It takes time to understand it and use it. It also depends on the market, UK and US are usually very open to new start-ups, innovation and are eager to try new things – we’re working with companies there who understand what we’re doing, they will help us show the world that there’s a new way of doing things, placing individuals as the real driver of business success.

Sirona: What is your vision for PredictivePeople’s future? Where do you see your company in five years?

Stefanie: We are aiming to open a new market, driven by the employee experience and technology. We want to place the individual as the real driver of business success. We want to transform how people relate to the HR function. We want to grow globally – starting in UK, US, then moving to LATAM and Asia, and finally coming back to Europe. We want to partner with key players in the traditional HR world who need a tech boost like the one we can offer. We want to build a dynamic company, trust-based, global-based, and completely out of the ordinary.

Sirona: People are divided on what I like to call the mum question: Should you ask a female professional who also happens to be a mother how she „does it all“? You seem to have clear stance since you talked about your role as mother before and call yourself a mompreneur. So my question to you: How do you do it all? And what is your stance on that question?

Stefanie: Routine, patience, discipline, research, meditation, you name it! Basically it’s a mix between perseverance, living one day at a time, but never losing track of the big picture, trying your best every day, and loving your “tribe” with all your heart. I don’t mind about the question; I am actually eager to know how other moms do it! I know we never ask the same to dads, but maybe we should, and we would learn a lot from them as well – my husband is definitely better at getting our baby ready in the morning – I still don’t know how he does it!

Sirona: What is your advice for young professional women?

Stefanie: Fight every day for the world you want to live in and the one you want for future generations. Choose the “hard path”. Don’t feel pressured to get married nor to have kids. If you do get married, choose wisely – make sure it’s a person who will support you in every stage, from which you’ll learn, and who won’t try to change you EVER. Find mentors who help you deal with tough decisions. Never lose track of your friends.

Sirona: And to finish this up, here’s a not quite easy one: How would you describe PredictivePeople to a not-so techy grandparent?

Stefanie: I explained the following to my dad, who’s 76 years old: “Dad, imagine your iPhone (because grandparents now have iPhones) could have the possibility to understand you, what you do, what you search on Google, who you talk to… Now imagine he (let’s assume it’s a “he”), could use that information to make your life better. For example, he knows you like to read Historical Novels, so he’d weekly suggest new books which match your taste. Or he would make a reservation for you and your friends to go golfing next week. Or he’d remind you to take your pills, and once they’re running low, he would ask the drug store to send you more. Would you find that useful? Well, this is called artificial intelligence, and PredictivePeople is kind of the same, it is a smart tool inside people’s computers which understand how employees in companies behave and make their life, their manager’s life and HR’s life better. How? PredictivePeople knows how each user behaves, it has access to multiple data which gives the tool important hints, that it then turns into scores and personalities. It is able to identify when someone is becoming disengaged or stressed, then, because PredictivePeople knows who’s that person, it suggests a series of rewards or programs that match his/her personality and needs, which would make that person happier, for example, taking yoga classes, going on holidays or taking a day off. It also alerts his/her manager, and tell him/her what to do to help that specific person. Isn’t that amazing?”

His answer: “I want that on my iPhone! And better make it a she.”

Warum du so auf Tasty stehst

Auch wenn man nur für wenige Minuten auf Facebook vorbeischaut, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass du beim Scrollen auf eins dieser Kochvideos stößt. Diese kurzen Videos, die uns aus, aus der Vogelperspektive gezeigt, einem Paar von Händen beim blitzschnellen Zubereiten einer verlockenden Mahlzeit zusehen lassen. Mit so richtig schöner Zeitlupe, wenn man sich das fertige Gericht ganz genau anschaut, dramatische Käsefäden und dampfendes Gebäck gehören zum Standard-Repertoire. Ja, genau diese Videos, bei denen du immer irgendwie hängen bleibst, dir „da würde ich jetzt nicht nein sagen“ denkst und jemanden markierst in der Absicht das Rezept nachzukochen – obwohl ihr beide wisst, dass das wohl niemals passieren wird. Dadurch entstehen aber Klickzahlen, von denen jeder Facebook-Seiten-Betreiber feuchte Träume kriegt.

Warum aber funktioniert diese Art von Inhalt aber so gut? Das Grundrezept (no pun intended) ist denkbar einfach: Eine kurze Szene mit dem verführerisch-dampfenden Gericht, worauf der Rezeptdurchlauf mit den wunderschön vorbereiteten Zutaten folgt, um dann erneut mit einer nahezu quälend in die Länge gezogenen Präsentation des fertigen Gerichts zu enden. Das Rad kannst du nur so oft neu erfinden und das ist mit Rezepten nicht anders. Aber das Grundrezept greift noch weiter, denn Kohlenhydrate und Fett treffen in ihrer kalorienhaltigsten Kombination aufeinander. Da greift der menschliche Instinkt genauso wie bei Fast Food: Auch wenn kalorienreiches Essen bei den meisten Panik auslöst, findet unser altes Ich aus den frühsten Zeiten der Menschheit, das Konzept klasse. Denn Nahrung bedeutet Arbeit, wenn man das Essen selbst sammeln und jagen muss – wenn das Essen dann aber lange satt macht dank der hohen Kaloriendichte, ist das eine richtige Zeit- und Energieersparnis. Und genau an dieser Schwachstelle, an diesem Überbleibsel aus früheren Zeiten, greifen diese Videos. Leckeres, überlebenswichtiges Essen, das schnell und unkompliziert auf dem eigenen Teller landet.

Und damit ist nicht nur die grundsätzliche Zucker-Fett-Ausrichtung der Rezepte gemeint, sondern auch die Darstellungsweise. Erinnern wir an das Grundmuster der Videos. Die anfängliche Darstellung der Mahlzeit schreit regelrecht „Siehst du dieses leckere Essen? Das gefällt dir doch!“ und spannt dann den Bogen zu „Das kannst du auch haben und zwar ganz einfach!“ Die vorbereiteten, in Schüsselchen hübsch angerichteten Zutaten und die stark beschleunigten Zubereitungsabläufe vermitteln, dass hinter diesem Rezept kaum Arbeit steckt. Dass die Zutaten zuerst gekauft, gewaschen, geschält, geschnitten, abgewogen werden müssen, ist weniger als ein Nachgedanke durch diese Darstellungsweise – die Zutaten scheinen einfach da zu sein. Boom, magic! Einfach schnell zusammenwerfen, umrühren, in den Ofen, fertig! Keine Vorbereitung, kein Aufräumen und Putzen der Küche danach. Fast wie Essen gehen, aber wir können uns einreden, dass es wenigstens ein bisschen gesund ist, weil man es ja selbst kocht. Da man auch nur ein Paar Hände beim Zubereiten sieht, wird diese Wahrnehmung zusätzlich gefördert – diese Clips sind wortwörtlich aus der Ich-Perspektive gefilmt.

Aber man kocht es nicht nur selbst, am liebsten kocht man natürlich mit Freunden – auf die Idee kommt man jedenfalls bei den ganzen Markierungen in den Kommentaren, die einen gemeinsamen Kochabend versprechen. Und genau hier findet sich eine weitere interessante Parallele zu Fast Food: Diese Art von Essen ist gleichzeitig ein soziales Ereignis. Obwohl Fast Food nahezu an jeder Ecke erhältlich ist, empfinden wir das tatsächliche Essen als ein besonderes Ereignis, man „gönnt“ sich – und das macht man meistens mit Freunden, meistens mit einer Begründung. Sei es ein anstrengender Tag („Das haben wir uns jetzt verdient!“) oder ein bestimmter Anlass („An seinem Geburtstag kann man sich mal etwas gönnen!“), in der Gruppe sucht man Bestätigung für die Entscheidung etwas zu sich zu nehmen, das, rational gesehen, nicht gut für uns ist. Aber wenn es einen Anlass hat und die anderen auch dahinter stehen, schrumpft die Überwindung dahin. Und ähnlich verhält es sich bei den Videos von Tasty und Co.: Im Grunde wissen wir, dass das Kochen daheim dieses Rezept nicht gesünder macht – aber gemeinsam ist das ja halb so schlimm, man gönnt sich.  Dass man mit öffentlichen Markieren der Freunde unter den Clips auch eine soziale Nachricht sendet, die eine Gruppenzugehörigkeit („Wir sind Freunde und kochen so leckere Sachen zusammen!) nach außen verkörpert. Wir befinden uns ja schließlich in den sozialen Netzwerken. Und wenn man sich noch etwas weiter aus dem Fenster lehnen möchte: Wenn der frühe Mensch eine solch sättigende Mahlzeit gefunden hat, war das meist ein Grund zu feiern – und das tut man nun mal in der Gemeinschaft.

Gleichzeitig punkten die Videos mit der Würze der Kürze, was in den sozialen Netzwerken nahezu immer ein Erfolgsgarant ist. Hat der Clip den ersten Hauch an Aufmerksamkeit erhascht (wie gesagt, die anfängliche Darstellung des Gerichts hat ihre Gründe), geht der nächste Blick meistens auf die Zeitleiste des Videos und, Überraschung!, das sind ja ohnehin nur noch 40 Sekunden, das kann man doch noch zu Ende schauen. Und schon ist man im Sog drin. Snackable content, in jeder Hinsicht. Sie sind leicht zu konsumieren wegen ihrer generellen Thematik und Kürze, erfordern kein hohes Maß an Aufmerksamkeit und scheinen auf den ersten Blick nicht zu fordern. Die Videos sind dein netter Kumpel, der dir ein gutes Rezept empfiehlt. Geld verdienen die Macher trotzdem, aber das merkt der Nutzer nicht direkt.

Wenn uns also das nächste Mal ein Food-Video über den Weg scrollt, können wir uns kurz ein bisschen schlau fühlen, denken, dass wir das Schema durchschaut haben – und brav unsere Freunde markieren, das muss man doch mal ausprobieren. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Juice Plus+, Fitvia und der Hype um Allheilmittel

Wie schön wäre es, die übermäßigen Kalorien der letzten Fressattacke mit ein, zwei Tassen Tee Vergangenheit werden zu lassen? Oder nur ein paar Pillen am Tag zu schlucken, um den Bluthochdruck komplett los zu werden? Zugegeben, solche Zaubermittel wünsche ich mir auch öfters als mir lieb ist, aber meine Wortwahl sagt es eigentlich schon: Realistisch ist das nicht, das sollte eigentlich offensichtlich sein.

Aber es ist immer wieder verblüffend, wie viele Menschen noch mit Marken wie Juice Plus+ arbeiten, wenn Google bereits auf der ersten Seite mehrere kritische Beiträge herausspuckt, wenn man denn die Suchmaschine mal bemüht. Oder wie viele denken, dass ein bisschen Brennnesseltee, pardon, Detox-Tee die Kilos purzeln lassen. Schön wäre es natürlich, aber um es mit den Worten des Professors Edzard Ernst zu sagen: „If it takes anything out of you, it’s your money.“

Jeder will Geld verdienen. Jedes Unternehmen denkt in erster Linie ans Geschäft – das ist an sich nichts Verwerfliches, den Unterschied macht letztlich die Art und Weise wie man sein Geld verdient. Und das kann ich bei den genannten Beispielen und ähnlichen Anbietern beim besten Willen nicht gut heißen, wenn mit voller Absicht nach Menschen für die eigene Marketing-Kampagne gesucht wird, die meist selbst nicht zu den Topverdienern gehören und sich verständlicherweise über dieses vermeintlich schnelle Geld freuen. Und ihnen auch noch das Gefühl vermittelt, dass sie tatsächlich etwas weiter verkaufen, dass ihnen und anderen hilft.

Dabei müsste man ihnen schon fast Respekt dafür zollen, dass sie das Potenzial ihrer Nische erkannt haben und voll ausnutzen. Konsequent gesunde Ernährung ist schwierig – wir kennen alle die Basics, wissen dass viel Gemüse und wenig verarbeitetes Essen wichtig ist und so weiter und so fort. Beim morgendlichen Weg am Bäcker vorbei oder nach einem langen Arbeitstag noch etwas Gesundes zu kochen, das man auch noch am nächsten Tag mitnehmen kann, fällt uns allen aber mal mehr, mal weniger leicht. Gleichzeitig kann gesunde Ernährung wahnsinnig komplex sein: Männer können während Diäten besser ein größeres Kaloriendefizit als Frauen fahren, Fette spielen eine zentrale Rolle im Hormonhaushalt, nur von Brokkoli und Wirsing allein wird man nicht glücklich. Der menschliche Körper ist ein faszinierendes Gefüge und da als Otto Normalverbraucher den Überblick zu behalten ist schwer. Deswegen gibt es Richtlinien und Experten, die sich auskennen und Empfehlungen geben. Kommt da nun ein Produkt daher, dass alle benötigten Vitamine abdeckt und von dem man wie durch Zauberhand abnimmt, ist das zu schön, um wahr zu sein. Ist es auch. Die Menschen glauben, was sie glauben wollen – und ein paar Mal ausprobieren schadet ja nichts!

Ein Glas auf grauem Grund von oben fotografiert. Eine Zitronenscheibe und Minzblätter sind in dem Glas mit heißem Wasser aufgegossen. Im Hintergrund ein weißes Geschirrtuch.
Zwei Tassen am Tag und du bist schlank? So einfach ist es nicht.

Und das ist genau der Punkt, an dem solche Marketingstrategien greifen: Wenn Tante Gertrude diesen wahnsinnig leckeren und hilfreichen Tee empfiehlt („Ich hab schon ein Kilo abgenommen seit vorgestern!“) oder dir dein Kumpel aus dem Fitnessstudio diese Superpillen ans Herz legt, sieht man keine große Gefahr und schenkt ihnen gern einen Vertrauensvorschuss. Zum einen ist es schwerer einem Bekannten nein zu sagen als einem Promoter, der am Supermarkteingang steht. Zum anderen verleihen diese positiven Erfahrungen der jeweiligen Marke Glaubwürdigkeit. Dass dahinter meistens Placebo-Effekte oder simple Mechanismen, die nichts mit der versprochenen Wirkung zu tun haben, stehen, verleitet weiter zu Trugschlüssen. Gertrude, die zwei abgenommen Kilos sind höchstwahrscheinlich kein Körperfett, sondern Wassereinlagerungen (Zutat: Brennnessel) oder dein Darminhalt (Zutat: abführende Pflanzen, wie z.B. diverse Johannisbrotgewächse). Gegebenenfalls hat die größere Flüssigkeitszufuhr auch geholfen weniger zu essen und Coffein- oder Theininhalte haben dazu geführt, dass du dich unterbewusst ein wenig mehr bewegst. Ähnlich verhält es sich mit den Kapseln von Juice Plus+ und Co.: Ein paar der Inhaltsstoffe werden vielleicht greifen, aber mit diesen angeblichen Vitaminbomben schießt man letztlich mit Kanonen auf Spatzen. Der Durchschnittsbürger muss sich keine Sorgen, um den Vitaminhaushalt machen, wenn er regelmäßig frisches Obst und Gemüse zu sich nimmt. Ist das nicht der Fall, wird auch kein Pillchen helfen können.

Neben diesem Spiel mit der Unwissenheit der Konsumenten werden besonders bei Fitness- und Gesundheitsprodukten Vertriebsstrategien angewandt, die nahezu sektenähnliche Züge annehmen. Beim Multi-Level-Marketing (MLM) steht neben dem Verkauf an Kunden das Anwerben weiterer Mitglieder an vorderster Stelle – denn diese investieren. Versprochen wird schnelles Geld, aber dafür muss erstmal selbst in die Tasche gegriffen werden. Mit Starterpaketen und Schulungen, die gerne mehrere Hundert Euro kosten, sollen neue Mitglieder für den Vertrieb fit gemacht werden – meist, aber nicht ausschließlich, an Bekannte.

Der Umsatz einzelner Mitglieder wird aufgeteilt: Der Großteil geht an das Unternehmen selbst, ein festgelegter Prozentsatz geht an die übergeordnete Person, die das neue Mitglied geworben hatte, und ein festgelegter Anteil geht an das Mitglied selbst. So entstehen Abhängigkeitsverhältnisse und der Druck selbst immer mehr neue Mitglieder zu werben, um Teile deren Umsatzes einzustreichen. Da geht es nicht mehr um das Produkt selbst und seine nahezu magischen Wirkungsstoffe, sondern nur um’s Geld. Das Produkt ist ein Vorwand, um immer mehr Mitglieder zu initiieren, um das eigene Konto aufzubessern. Und wenn das so gut funktioniert, ist das Produkt und seine Qualität letztlich egal.

Empfehlungen von Bekannten sind gut und wichtig, ohne Frage. Nahrungsergänzungsmittel sind auch nicht der Teufel, bisweilen sogar nützlich. Aber mit den Unsicherheiten und der Unbedarftheit großer Bevölkerungsteil nicht nur Geld zu machen, sondern ihnen unter falschem Vorwand das große Geld zu versprechen? Da würde ich noch mal drüber nachdenken, ob da die Empfehlung eines Bekannten diesen Tee oder diese Pillen auszuprobieren wirklich die beste Idee ist.

Man kann kein Experte in jedem Gebiet sein, muss man auch nicht. Aber wir alle sollten unsere geliebte Internetverbindung manchmal nicht nur zur Unterhaltung nutzen, sondern auch um solche Aktionen zu hinterfragen und zu recherchieren.

Ergänzende Links:
Fitvia: Dieser deutsche Hidden Champion macht achtstellige Umsätze mit Detox-Tee
Why Instagram’s Favorite Diet — „Teatoxing“ — Won’t Actually Help You Lose Weight
Multi-Level-Marketing: Erfolgversprechende Alternative für Gründer?

Und was macht man dann damit?

Warum mein Studium mir nichts gebracht hat. Und trotzdem der Grundstein für alles war.

Ich finde, dass man den Geisteswissenschaften gegenüber ein bisschen fairer sein sollte. Meine Fächer British Studies und Publizistik sind nun nicht die schneeflockigsten Orchideenfächer, die es in der großen weiten Hochschulwelt gibt, etwas „Brauchbares“ waren sie in der öffentlichen Wahrnehmung aber nicht. Trotzdem würde ich heute, ein knappes Jahr nach meinem Bachelorabschluss, immer wieder den gleichen Weg wählen, ohne auch nur eine Sekunde dran zu zweifeln.

Die Geisteswissenschaften genießen einen eher fragwürdigen Ruf, zum einen, weil sie nicht auf zu einem bestimmten Beruf hinführen und zum anderen, weil sie ein extrem weiblicher Fachbereich sind. Ob nun ersteres oder letzteres die Hauptursache für die eher negative Beurteilung des Fachbereichs ist, hat ein bisschen was vom Henne-Ei-Problem (no pun intended). Unabhängig von der nicht so leicht zu findenden Lösung des Problems sehe ich die kollektive Verurteilung der Geistes- und Sozialwissenschaften kritisch. Darüber habe ich schon oft debattiert und ich werde es immer wieder tun.

Jedes Fach hat sein eigenes Klischee. Und wie Klischees nun mal sind, handelt es sich dabei um überspitzte Darstellung von Stereotypen: Der von Haus aus verzogene und realitätsferne BWL-Justus, der frauenscheue IT-Nerd, die Social Justice Warrior Feministin. Wir alle kennen sie, wir kennen fast alle mindestens eine Person, die als regelrechte Vorlage für diese Stereotype gedient hat, und wir alle scherzen darüber. Ist okay, vor allem Selbstironie ist bisweilen mal gesund.

Aber diese Klischees bringen auch Risiken mit sich. Männer trauen sich nicht soziale, typisch-weibliche Fächer zu studieren; Frauen trauen sich nicht in typisch-männliche Fachbereiche. Stark vereinfacht, aber das Problem ist nicht von der Hand zu weisen. Damit einher geht die Hypothese, dass Frauen selbst an der Gender Pay Gap schuld sind – schließlich haben sie sich ja für ein derart unnützes Fach entschieden. Oder dass nur Kinder aus wohlhabenden Haushalten solche Fächer wählen, um ein ausgelassenes Studentenleben als Verlängerung ihrer Jugend zu führen. Ein Krümel Wahrheit lässt sich darin sicherlich finden – aber das ist bei weitem nicht das gesamte Bild.

Ein BWL Studium wird dich auch nicht mehr für die Zukunft vorbereiten, wenn du nie in deinem Leben einen Finger gekrümmt hast. Gute Noten in Jura (falls es sowas wirklich gibt) nützen auch genauso wenig, wenn keiner der zukünftigen Rechtswissenschaftler auch nur einen Hauch von Ahnung vom echten Leben hat. Kein Fach, das noch so deutlich den Weg zu einem „handfesten“ Beruf vorgibt, kann gelebte Erfahrung ersetzen.

Im Grunde haben die Geisteswissenschaften den Vorteil, dass sie dir nicht vorgaukeln, dass die Erfolg im Beruf einfach zu fallen wird. Entweder ziehst du dich in eine heile Scheinwelt der Verdrängung zurück und schiebst deinen Abschluss ins Unendliche oder du akzeptierst die unbequeme Wahrheit, dass du dich selbst dahinter klemmen musst, wenn du nach dem Abschluss dein Brot verdienen oder sogar, oh Schreck, Karriere machen willst. Das heißt: Such‘ dir einen Nebenjob. Dass man dem Rest der Welt immer wieder aufs Neue beweisen muss, dass man trotz dieses unsäglichen Studiums tatsächlich brauchbar ist und Fähigkeiten mitbringt, ist anstrengend. Aber man erlernt eine Ausdauer und Verbissenheit damit, die in jeder Branche hilfreich ist.

Ich habe in meinem Studium nicht gelernt, wie ich eine Steuererklärung mache oder wie man den perfekten Sales Pitch vorlegt. Aber ich habe gelernt, jedes mir bekannte Konzept zu übertragen, (Leute tot) zu debattieren, zu recherchieren. Und die womöglich wichtigste Kompetenz, die ich mir angeeignet habe: Ich kann alles herausfinden. Der eigenen Weiterbildung sind keine Grenzen gesetzt, wenn man weiß, wie man effizient eine Suchmaschine benutzt. Weiß ich nicht, gibt’s nicht.

Mein geisteswissenschaftliches Studium hat mich an mir selbst wachsen lassen und mir vor allem eines beigebracht: Es schenkt mir nichts. Wenn ich etwas erreichen und meistern will, muss ich bereit sein outside the box zu denken und mich an Dingen festbeißen. Und genau deshalb werde ich nie müde, meinen Ratschlag an andere Geisteswissenschaftler gebetsmühlenartig zu wiederholen: Such‘ dir einen Job. Wer nebenbei arbeitet, wird sich anstrengen müssen, nicht den Bezug zur Realität zu verlieren. Und das verdient auch schon fast wieder Respekt.

Warum die Öffis ein Update verdienen

Wenn über die Zukunft des Verkehrs und des Fahrens gesprochen wird, hören wir die meiste Zeit von selbstfahrenden Autos. Coole Sache, wichtige Entwicklung: Senioren könnten länger mobil bleiben, der Führerschein ist kein Luxusgut (der Kram ist teuer, verdammt!) und die Sicherheit auf den Straßen wäre wesentlich größer – um nur einige der Vorteile zu nennen.

Aber was ist eigentlich aus dem Allgemeinwissen geworden, dass die Fahrt mit Zug und Bus immer noch besser für die Umwelt ist als die Fahrt mit dem eigenen Auto? Natürlich können selbstfahrende Autos auch den Spritverbrauch optimieren, aber mein Punkt soll nicht sein, dass selbstfahrende Autos nicht toll seien, sondern dass wir über den Hype nicht die Zukunft der öffentlichen Verkehrsmittel vergessen sollten.

Ein Bild einer Berline Straßenbahnstation. Das Gebäude sieht industriell aus und der Himmel strahlt blau über der Station.
Was bringt’s, wenn alle die BVG lieben, aber die öffentlichen Verkehrsmittel vor der eigenen Haustür nichts ändern?

Ich habe nie ein eigenes Auto besessen – zum einen aus Sparsamkeit, denn Sprit und Instandhaltung können einem die Haare vom Kopf fressen, zum anderen aus dem Wissen heraus, dass ich es nicht wirklich brauche. Heute könnte ich mir eins leisten, aber wozu? Mein Lebensmittelpunkt liegt im Rhein-Main-Gebiet, in dem nahezu jede größere Stadt sich innerhalb eines Ein-Stunden-Radius‘ befindet und wo die Infrastruktur der Öffis bestens ist. Natürlich gibt es immer wieder das ein oder andere Ärgernis, aber das gibt es genauso auf den Straßen. Ich setze mich in Bahn oder Bus und muss nur aufpassen, dass ich nicht meinen Halt verpasse – ansonsten kann ich mich ausruhen, lesen oder meinen liebsten Podcast hören.

Andere Fahrgäste können nerven, ohne Frage – Mitfahrer auf der Straße aber ebenso. Im Grunde liebe ich diesen wilden Mischmasch an Menschen aber auch so an den Öffis. Morgens sitze ich zwischen Menschen mit Fahne, Arbeitern in schweren Stiefeln oder der wichtigen Geschäftsperson, die sich mal wieder über den fehlenden Empfang im Tunnel ärgert – letztlich sind wir alle gleich. Jeder ist genervt vom nächsten und trotzdem ist man sich herzlich egal. Eine Zugfahrt die ist lustig ist zwar nicht das Wundermittel, damit überall Toleranz und Integration vorherrscht, aber sie lehrt einem definitiv jede Menge Geduld und eben doch einen Hauch Toleranz. Und mein Immunsystem dankt’s mir auch.

Das bisherige System funktioniert gut. Aber wo bleibt die Modernisierung der öffentlichen Verkehrsmittel? Auf dem Land – zumindest da, wo ich herkomme – muss man vor jeder Fahrt brav vorne beim Fahrer einsteigen und seine Karte vorzeigen. Wenn da jemand mal zu langsam ist oder mittags alle Kinder aus der Schule kommen, herrscht reinstes Chaos und Aggression. Auf Langstrecken und in der Stadt sind Handy-Tickets glücklicherweise die Norm, aber kaputte Automaten leider ebenso – und die ständige Kontrolle der Tickets verschlingt Zeit und Ressourcen. Zwar führt die Deutsche Bahn langsam den Comfort Check-in als Beta-Version ein, eine Ideallösung ist das aber noch nicht.

Was ist also mit der Modernisierung von den öffentlichen Verkehrsmitteln und Langstreckenverbindungen? Besonders eine verbesserte Infrastruktur auf dem Land und zur Stadt hin könnte enorm helfen, die Landflucht einzudämmen und damit weiteren Bevölkerungsgruppen mehr Bildungs- und Jobchancen bieten, die Mietpreise ein wenig drücken und die Automassen auf den Straßen verringern.

Modernisierte Autos, besonders selbstfahrende Fahrzeuge, werden eine große Rolle in der Zukunft spielen und definitiv positive Effekte haben – aber bei all dem Hype sollten die Öffis nicht allzu stiefmütterlich behandelt werden.