Die zehn extra Minuten nach dem Snooze-Button hättest du dir sparen können. Wärst du direkt aufgestanden, müsstest du dich jetzt nicht so abhetzen. Hättest den früheren Zug erwischen können. Früher auf der Arbeit sein können, um X und Y zu erledigen. Dann hättest du sogar Zeit gehabt, um noch Thema Z dazwischen zu schieben, jetzt lässt du die Person hängen.
Dieser Gedankengang spielt sich in dieser oder ähnlicher Form jeden einzelnen Morgen innerhalb der ersten 30 Minuten nach dem (tatsächlichen) Aufwachen in meinem Kopf ab. Gerne auch nachdem ich auf Snooze gedrückt habe und diese ach so fatalen zehn Minuten extra eigentlich zum Ausruhen nutzen wollte. Und so rattert es nahezu 24 Stunden an sieben Tagen die Woche in meinem Kopf.
Macht mich das zum ultimativen Opfer und/oder Idioten ohne Selbstkontrolle? Nein. Diese paar Zeilen schreibe ich so ehrlich und öffentlich nieder, weil ich weiß, dass jede dieses Gefühl kennt. Manche als ständiger Begleiter wie in meinem Fall oder zu bestimmten Phasen im Leben. Es ist normal – ja, in erster Linie menschlich – dass wir ständig denken, analysieren, Muster erkennen und Lösungen finden wollen. Das ist unser evolutionärer Vorteil, der uns in der modernen Gesellschaft mittlerweile gerne ins eigene Bein schießt.
Denn einerseits erschöpft uns dieses ständige Verketten von „Wenn, dann“-Gedanken, andererseits raubt es uns kognitiver und zeitlicher Ressourcen. Decision Fatigue, auf Deutsch auch Entscheidungsermüdung, beschreibt den Zustand, der meist durch dieses ständige Überlegen herbeigeführt wird. Jeden Tag triffst du hunderte von winzig kleinen, unbewussten und großen, bewussten Entscheidungen. Das beginnt mit der Entscheidung „Snooze – ja oder nein?“, geht über die Auswahl deiner Kleidung für den Tag bis hin zu schwerwiegenden Entscheidungen in deinem Job: Dein Kollege macht X – wie verhältst du dich? Gibt es noch Optionen oder muss Person Y entlassen werden? Jede Entscheidung kostet uns mindestens Zeit und Energie – auch in Zukunft, denn Entscheidungen haben nun mal Konsequenzen. Und je mehr Entscheidungen wir treffen, desto schlechter wird unser Urteilsvermögen und damit die Qualität der getroffenen Entscheidungen.
Ein bekanntes Beispiel für die schwerwiegenden Folgen von Decision Fatigue: Eine Studie von Danziger, Levav und Avnaim-Pesso hat gezeigt, dass der Anteil von Freisprechungen mit jeder von Richtern getroffenen Entscheidungen um 65% sinken. Mit jeder Entscheidung. Nach einer Pause steigen die Werte im Schnitt übrigens wieder auf die Ausgangslage zurück. Einfach gesagt: Richter treffen mit jeder getroffenen Entscheidung „schlechtere“ Urteile. Menschen, die die Verantwortung dafür tragen, wie das weitere Schicksal anderer aussehen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass Decision Fatigue auch das Zurückfallen auf (vermeintliche) Erfahrungswerte begünstigt. Das heißt, Vorurteile jeglicher Form – von Rassismus über Sexismus – haben zunehmend stärkeren Einfluss.
Aber was hat das jetzt mit Snooze drücken zu tun? Es ist natürlich unangemessen, kleine, alltägliche Entscheidungen mit großen, schicksalsbestimmenden Urteilen zu vergleichen. Aber erstere haben einen enormen Einfluss auf letztere. Und jede Entscheidung hat Konsequenzen – für andere, für uns selbst.
„Sehr gut, jetzt habe ich noch mehr Druck und Sorge, die falsche Entscheidung zu treffen!“ – das soll nicht das Fazit dieses Beitrags sein. Die Aussage, die ich hier mitgeben möchte, ist eigentlich das vermeintliche Gegenteil: Geduld und Verständnis für uns selbst.
Wir sollten Geduld mit unserem Gedankensturm haben. Ihnen als solchen anerkennen und uns bewusst machen, dass das unser Hirn ist, das helfen will – evolutionär gesehen aufpassen will, dass wir uns nicht aus Dummheit selbst umbringen. Geduld mit Entscheidungen, die doch nicht die besten waren. Geduld für den Prozess unseres persönlichen Wachstums.
Das Verständnis geht eine Ebene tiefer. Warum denke ich so? Vieles geschieht unbewusst, aber den halbwegs bewussten Gedankenstrom und -sturm wahrzunehmen, anzuerkennen und zu analysieren, ist der erste Schritt für einen gesünderen Umgang mit uns selbst. Es mag augenscheinlich paradox erscheinen, zu viel Denken mit noch mehr Denken zu bekämpfen.
Als Teil einer Übung zur persönlichen Weiterentwicklung sollte man automatisierte Gedankenmuster und Glaubenssätze als Teil einer Übung niederschreiben. Ich habe sie offen und ehrlich so aufgeschrieben, wie sie in meinen Kopf waren. Mensch, der ich bin, waren sie größtenteils negativ oder ungesund. Eine Kollegin, mit der ich diese Übung gemeinsam machte, sah das kritisch und meinte, dass es vollkommen legitim sei, solche Gedanken zwar zu hören, aber ihnen nicht „Macht“ zu verleihen, indem man sie aufschreibt. Lieber solle man die bewusste, positive Formulierung niederschreiben. Ein Beispiel wäre lieber „Ich bin genug“ aufzuschreiben statt „Ich muss mehr erreichen“.
Ihren Standpunkt verstehe ich. Sie hat Recht damit, dass es nicht Zweck der Sache ist, internalisierte, schädigende Glaubenssätze weiter zu bestärken. Mein Ansatz, der mir bisher immer am besten geholfen hat, ist es, dort hinzusehen, wo es wehtut und hässlich ist. Um zu verstehen, warum ich so denke, muss ich erst wissen, was ich denke. Das Unbewusste ins Bewusste rufen. Um es vereinfacht zu sagen: Statt mir zu sagen, dass es kein Monster unter meinem Bett gibt, sehe ich es hilfreicher an, kurz das Licht anzumachen, einen Blick unters Bett zu werfen und einen Haken an die Sache zu setzen.
Das sind persönliche Ansätze. In aller Regel liegt der erste Schritt zur (Selbst-)Verantwortung und Verbesserung aber darin, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu fragen: Wie kam es dazu? Für mich ist es sogar Teil meiner Identität. Dieser Blog setzt sich schließlich mit Fragen auseinander und soll Erklärungsansätze liefern, um Werkzeuge zur Verbesserung zu vermitteln.
Letztlich können wir unser Hirn nicht vom Denken abhalten. Ja, bloß nicht! Unser Hirn, unsere evolutionäre Entwicklung ist etwas Fantastisches. Aber wir sollten uns bewusst machen, dass wir unser Leben, Denken und Handeln aktiv bestimmen können und kein Treibholz im Strom sind. Es gibt Phasen, da können wir selbstbestimmter agieren als in anderen. Psychische Krankheiten wie Depressionen können all das enorm erschweren.
Aber wenn ich eins meinen Mitmenschen und mir selbst gleichermaßen mitgeben will: Mach dich nicht selbst zum passiven Opfer. Verschließe nicht die Augen, sondern schau hin und frage dich, wie du es ändern kannst. Und dann: machen. Immer und immer wieder.
Das Impostor Syndrome wurde in den vergangenen Jahren zunehmend diskutiert, besonders im Kontext von Generation Y und Z – und vor allem in Hinsicht auf junge Frauen.
Was ist das Impostor Syndrome?
Das Impostor Syndrome, auf Deutsch Hochstapler-Syndrom, ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Personen von ständigen Selbstzweifeln belastet sind. Und das bis zu dem Punkt, dass sie denken, all ihre Erfolge und Fortschritte seien nicht das Resultat ihrer Arbeit und Fähigkeiten, sondern reines Glück – und dass sie dementsprechend alle täuschen. Deswegen auch Hochstapler: Betroffene glauben, sie hätten Erfolg und Anerkennung in Wahrheit nicht verdient. Andere würden bloß ihre Unfähigkeit nicht erkennen.
Schwierig ist dabei auch, dass sich nahezu jeder irgendwann mal in irgendeiner Situation so gefühlt haben kann. Es ist nur menschlich – und für viele wahrscheinlich immer noch sympathischer als das krasse Gegenteil, sich für besser als andere zu halten. Bescheidenheit wird den meisten anerzogen. Aber wenn dieser Glaube zum ständigen Begleiter wird und jeden Aspekt des eigenen Lebens durchdringt – ja, was passiert dann?
Ständiger Stress durch das Impostor Syndrome
Erfolge können keine positiven Emotionen hervorrufen. Die Überzeugung sich doch beweisen zu müssen, dem positiven Bild anderer endlich gerecht werden zu können, führt zu ständigem Druck. Die dauerhafte Sorge als Hochstapler enttarnt zu werden. Sich unter Wert zu verkaufen und ausnutzen zu lassen. Sich abzukapseln, sich niemandem mit den Selbstzweifeln anzuvertrauen – all das lässt Betroffene ihre Selbstzweifel weiter internalisieren bis sie zur Grundeinstellung geworden sind. Und damit gerät man gefährlich leicht in einen Teufelskreis: Du siehst dich selbst im schlechtesten Licht, Lob und Zuspruch anderer fühlt sich unverdient an. Also arbeitest du mehr und härter, um Lob und Zuspruch „wirklich“ zu verdienen. Der Indikator für deinen Erfolg ist aber nicht deine innere Stimme, sondern der externe Zuspruch. Den du aber für illegitim und unverdient hältst.
Das Impostor Syndrome hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen, besonders im Kontext der Karriere jüngerer Generationen und Frauen. Untersucht wird das Phänomen aber schon länger. Erste Studien wiesen daraufhin, dass gerade Frauen häufiger betroffen sind. Wieder andere Studien lassen vermuten, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Pauline Rose Clance, die die Erforschung des Phänomens begann, hat später nicht nur weitere Studien und Reviews ihrer Forschungsergebnisse angestoßen, sondern im Nachhinein auch festgestellt:
If I could do it all over again, I would call it the impostor experience, because it’s not a syndrome or a complex or a mental illness, it’s something almost everyone experiences.
Pauline Rose Clance in „Presence: Bringing Your Boldest Self to Your Biggest Challenges“ von Amy Cuddy
Nahezu jeder kennt dieses Gefühl. Aber man kann vermuten, dass insbesondere der sozialpolitische Hintergrund eine große Rolle spielt. Personen, die in ihrem Umfeld als Minderheit gelten oder sich auch selbst als solche wahrnehmen, sind anfälliger für diese Art der Wahrnehmung. Wer immer wieder gehört und erfahren hat, dass sie anders seien, nicht dazu gehören, sind sich bewusst, welche Stereotypen auf sie projiziert werden können – und werden nicht in diese Falle geraten wollen. Wer immer wieder in diese Gedankengänge gedrängt wird, ist einem höheren Risiko ausgesetzt, bestimmte Annahmen zu verinnerlichen. Wenn du als Schulkind immer wieder hörst, du seist einfach schlecht in Fach X, wirst du anfangen, das zu glauben – und Erfolge mit Zufall oder Glück begründen.
Warum dir fake it till you make it nicht weiterhilft
Was aber kann man denn genau tun, um dieses Gefühl und Gedankenmuster hinter sich zu lassen? Fake it till you make it ist für viele die nahe liegende Taktik. Aber gerade die ist tückisch und leitet Betroffene weiter in den oben beschriebenen Teufelskreis: Noch weiter gehen, noch härter arbeiten, um das Lob endlich zu „verdienen“ – dem Lob, dem man doch keinen Glauben schenkt. Der einzige Weg ist – wie üblich – der unbequemste: Auseinandersetzung.
Vor einiger Zeit habe ich die angepasste Version des Spruchs gelesen:
Face it till you make it.
Letztendlich ist und bleibt das der einzige Weg, um Probleme zu bewältigen. Überhaupt erkennen, dass es ein Problem gibt. Das Problem im weiteren Kontext und Detail analysieren und verstehen. Identifizieren, was Auslöser sind und Taktiken entwickeln, um dem entgegenzuwirken. Und das ist viel Arbeit – aber so lohnenswert.
Warum glaubst du, nicht genug zu sein?
In welcher Art und Weise glaubst ein Fake zu sein?
In welchen Situationen ist das Gefühl am stärksten?
Was sind die Fakten?
Ein Beispiel: Für mich fing es wie bei vielen anderen auch in der Schule an. Gute Noten waren für mich eine wichtige Bestätigung. Es kam auf die Note an, nicht auf die Qualität der erbrachten Leistung. Ich habe Jahre gebraucht, um selbst mit meinen Leistungen zufrieden zu sein, anzuerkennen, ob etwas gut ist und mich nicht nur auf externes Feedback zu verlassen. Und ergänzend Lob aber auch anzunehmen. Damit kämpfe ich noch immer, aber mir ist endlich klar: Herunterspielen bringt nichts. Denn hinter Fähigkeiten steckt harte Arbeit. Und die klein zu reden, macht es anderen nur schwerer: „Ich bin halt einfach nicht gut in XY, also lasse ich es gleich.“ Stattdessen möchte ich viel lieber zeigen, dass man natürlich Talente haben kann – aber man kann nahezu fast alles erlernen. Viel lieber finde und zeige ich Wege, wie man besser werden kann und es für andere zugänglich macht. Zweifel sind immer noch da – das ist normal – aber ich will sie nicht mehr bestimmen lassen, wie ich mit meinem Umfeld interagiere.
Ein Plädoyer für mehr Offenheit
Wir sollten die Scham, die mit vermeintlichem Versagen einhergeht, auflösen und sie als das erkennen, was sie wirklich ist: eine Chance. Eine Chance herauszufinden, was (nicht) funktioniert, was man besser machen kann und ob man es überhaupt besser können muss. Wie Clance letztendlich festgestellt hat: Das Impostor Syndrome ist nicht personenspezifisch, sondern eine universale, menschliche Erfahrung.
Nicht fake it till you make it, sondern face it till you make it. Im Leben werden wir alle noch genug Hindernissen begegnen – da sollten wir uns selbst kein weiteres sein.
Mit Prokrastination ist das so eine Sache. „Das ist eine echt gute Idee, aber ich bin gerade zu müde, um sie umzusetzen“ oder „Das muss ich echt machen, aber heute lohnt es sich nicht mehr“ – das sind Sätze, die wir ständig denken. Manchmal denke ich, dass ich das noch stärker und häufiger mache als andere, aber das stimmt vermutlich nicht. Wir reden nur ungern darüber. Denn spätestens nach dem dritten, vierten Mal würde unser Gegenüber aussprechen, was wir selbst zu verdrängen versuchen: Mach doch einfach. Später machst du es eh nicht.
Warum wir so ticken, hat viele verschiedene Gründe. Nach einem langen Arbeitstag ist man wirklich müde und fühlt sich unmotiviert, Sport zu machen, zu lernen oder einem Projekt Zeit zu widmen. Da vermischt sich Erschöpfung häufig auch mit Bequemlichkeit. Das muss auch nicht unbedingt negativ sein – wir brauchen Gelegenheiten, um unsere Akkus aufzuladen. 24/7 immer 100% geben, das kann niemand. Manchmal kommt dann auch Angst dazu. Angst zu versagen oder etwas nicht gut genug zu machen. Wenn man sich noch nicht bereit fühlt, etwas anzugehen und Angst vor einer vermeintlichen Blamage hat. Die Kernfrage ist dabei aber: Wirst du jemals bereit sein?
Ich decke gerne alle drei Varianten und ein paar weitere Variablen gleichzeitig ab bzw. begründe sie miteinander. „Ich bin zu müde, um das jetzt anzugehen und wenn ich es doch versuchen würde, käme eh nur Mist dabei heraus und dann ist es für immer ruiniert.“ Blöd nur, dass das nicht stimmt. Das weiß ich auch selbst. Hilfreich, wenn zur Aufschieberitis noch dieses eklige Schuldgefühl dazu kommt. Und die Liste an to-dos wächst und wächst und mit ihr das Unwohlsein.
Da hilft nur eins: Einfach machen. Über Sheryl Sandberg kann man denken, was man möchte, aber ihr Spruch „done is better than perfect“ hat einen wahren Kern. Entweder machst du dich an deine Aufgabe, die du vor dir her schiebst aus Angst sie nicht gut genug umzusetzen, oder du erledigst sie gar nicht. Ersteres gibt dir die hohe Chance, dass es dir doch (gut genug) gelingt, letztere gibt dir gar keine – da passiert schlichtweg nichts. Vertane Chance.
Wenn dir (wie mir so oft) immer noch der Anreiz fehlt, dich ans Werk zu machen, gibt’s hier meine drei Lieblingstipps.
Pro und Contra Liste
Was ist das allerschlimmste mögliche Resultat, wenn du das Projekt jetzt angehst? Wie wahrscheinlich ist dieses Resultat? Was spricht sonst noch gegen dein Aktivwerden? Und was spricht dafür? Du fühlst dich besser, weil du es endlich angegangen bist. Beim nächsten Mal wird es vielleicht sogar leichter, weil du deine Hemmschwelle schon einmal überschritten hast. Was ist das bestmögliche Resultat? Wie wahrscheinlich ist es im Vergleich zum schlimmsten? Ich möchte wetten, dass du mehr Pro-Punkte finden wirst.
Fünf Minuten hat jeder
Schon in meinem Studium hat mir dieser Ansatz immer geholfen. Fünf Minuten wirst du Zeit finden, fünf Minuten lang kannst du Netflix pausieren und lernen. Und aus den fünf Minuten werden dann schnell zehn Minuten (wenn ich schon mal dran bin), aus den zehn dann zwanzig oder dreißig und dann erscheint dir eine weitere halbe Stunde auch nicht mehr so hart. Wenn du doch eh schon dran bist. Und wenn du nach fünf Minuten wirklich absolut keine Lust mehr haben solltest, hast du immerhin fünf Minuten was gemacht – besser als gar nichts.
Schau dahin, wo es wehtut
Zugegeben, das hier ist kein Quick Fix, sondern mühsamer. Aber umso lohnender. Konfrontiere den Grund für dein Verhalten. Warum scheust du dich so sehr davor? Manchmal sind die Gründe leicht zu entdecken und es gibt Lösungen, die vielleicht nicht unbedingt bequem, aber machbar sind. Wenn du nach der Arbeit zu müde bist, mach vor der Arbeit Sport oder geh in der Mittagspause spazieren. Das ist vielleicht unschön, aber wenn du weißt, dass deine Erschöpfung nach der Arbeit nicht so schnell verschwinden wird, muss ein anderes System her. Das System muss für dich funktionieren, nicht du für das System. Sind die Gründe aber komplexer oder du weißt nicht so genau, wo die Ursache liegt, musst du tiefer graben. Tausche dich mit engen Bekannten aus oder zwing dich für eine halbe Stunde (kein Fernseher, kein PC, kein Handy!) mit dir selbst allein zu sein. Nimm dir Stift und Block und schreibe ganz frei runter, was dich blockiert. Ein Beispiel: „Ich möchte an meinem Blog arbeiten, aber gleichzeitig fühle ich mich jedes Mal überfordert, wenn ich dran denke, mich vor meinen Laptop zu setzen und weiß nicht, wie ich anfangen soll…“. Das muss kein Roman werden und bei Weitem nicht für andere verständlich sein – du sollst einfach ohne zu überlegen drauflos schreiben (oder reden!).
Manche Probleme sind noch tiefgehender. Depressionen oder Burnout beispielsweise. Ich bin ohnehin der Ansicht, dass mehr Menschen Therapie in Anspruch nehmen sollten. Aber ganz besonders, wenn du vermutest oder weißt, dass deine Blockade einen solchen Ursprung haben könnte, dem du dich allein nicht gewachsen fühlst – such den Kontakt zu einem Profi.
Solche Tipps bewirken keine Wunder und sonderlich originell sind sie nicht – aber sie funktionieren. Dieser Post kam gerade dank Tipp Nummer 2 zustande. Das sind Techniken, die man trainieren kann und dir helfen, eine andere Perspektive einzunehmen. Je öfter du sie anwendest, desto einfacher wird es. Das erfordert Arbeit. Aber wenn du erwartest hast, dass hier ein Zaubermittel auf dich wartet, müssten wir nochmal ernsthaft miteinander reden.
Also auf geht’s. Fang an – wenigstens für fünf Minuten.
Nicole Pauli durfte ich auf dem Webmontag Frankfurt das erste Mal erleben – und da schlug sie ein wie eine Bombe. Ihr Kurzvortrag wurde bereits mit der Vorwarnung angekündigt, dass dies ihr erstes Mal auf der wmfra-Bühne sei und sie regelrecht vor Lampenfieber glühe. Diese glühende Energie brachte sie direkt mit auf die Bühne und erzählte von ihrem Karriere-Podcast mit dem passenden Namen JobCast, den sie zu dem Zeitpunkt bald starten würde.
In ihrem Podcast spricht sie mit Menschen, die sich auf den
unterschiedlichsten Sprossen ihrer Karriereleiter befinden, und fragt sie, wie
sie dahin kamen und wohin sie noch wollen. Ihr Ziel sei es, die einzigartigen
Wege und Geschichten von Menschen im Beruf zu porträtieren, um einerseits zu
sagen, was man alles erreichen kann – und andererseits, dass das kein
Hexenwerk, sondern sehr wohl erreichbar sei.
Sirona: Nicole, danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Erzähl‘ mir doch zu Anfang, wer du bist und wie du auf die Idee von JobCast kamst.
Nicole: Den Podcast mache ich jetzt seit Mitte September, richtig los geht es aber erst Ende September. Eigentlich wollte ich ja gründen, aber dafür fehlte mir schlichtweg die richtige Idee. Als ich eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Podcast hörte, wurde mir klar, wie spannend und interessant es ist, was man da so aus Leuten rauskriegt. Und da ich selbst ein Mensch bin, der gerne und viele Fragen stellt, kam dann der Entschluss, dass ich selbst einen mache. Zum Thema führte letztlich meine Lieblingsfrage: „Und, was machst du eigentlich beruflich?“ Das ist bei mir einfach intuitiv drin, weil der Beruf für mich selbst einen enorm hohen Stellenwert hat. Und so kam es dazu, dass es im Podcast, um Beruf und Karriere geht. Denn viele trauen sich nicht Fragen zu stellen – dabei ist der Austausch so wichtig.
Sirona: Es kostet ja auch Überwindung Menschen so direkt um Tipps zu bitten. Vor allem wenn’s um das liebe Geld geht.
Nicole: Genau. Da muss ich noch für mich herausfinden, wie ich das angehen will. In den ersten Interviews habe ich das noch nicht aufgegriffen. Gerade in Deutschland ist das so schwierig – wenn du jemanden ganz konkret fragst, wie viel er oder sie verdient, antworten sie mir mit ihren Umsatzzahlen oder reden um den heißen Brei herum. Was sie denn verdienen, das sagt wahrscheinlich nicht jeder. Da ist die Sorge um die Reaktion der Kollegen. Interessant fände ich es aber, wenn die Leute sich doch trauen.
Sirona: Es ist ein schwieriges Thema, bei dem man sich auch gerne schnell in die Nesseln setzt.
Nicole: Genau. Aber sagen wir es so, die Angst gibt es auch bei ganz simplen Fragen. Die ganz oben sind meistens älter, Männer und bringen eine Menge Autorität mit. Wenn ich diesen Menschen zeige, dass wir – also Frauen, aber allgemein auch jeder, der Karriere machen will – eben auch da hochwollen. Und dann traut man sich vielleicht auch als Frau zu fragen: „Da, wo du bist, will ich auch hin. Wie bist du dahin gekommen?“ Ich glaube, da steckt gar nicht so ein großes Geheimnis dahinter. Das kann jeder lernen.
Sirona: Manchmal ist es auch nur gutes Timing, am richtigen Ort zur richtigen Zeit.
Nicole: Ja. Aber du musst auch lernen dich selbst mit deiner Persönlichkeit dahin zu bringen. Selbst wenn es nicht sofort in einem neuen Job resultiert, das Wissen über deine Fähigkeiten zu verteilen, ist eine Menge wert.
Sirona: Man neigt ja meist eher dazu seinen eigenen, monetären Wert kleinzureden vor anderen, besonders beim Bewerbungsprozess.
Nicole: Und genau da liegt der Fehler: Ich habe doch nicht so viele Jahre gearbeitet und gelernt, um dann letztlich weniger zu kriegen als das, worauf ich hingearbeitet habe. Für mich hat Wertschätzung auch viel mit Anerkennung zu tun – aber auch wortwörtlich: Wenn dir eine Leistung etwas wert ist, dann bezahlst du es auch.
Sirona: Gerade bei Berufen, die vor allem kreative und kognitive Arbeit erfordern, „Denkberufe“, ist es schwer der Leistung einen konkreten monetären Wert zu geben. Dieser abstrakte Aspekt erschwert es vielen dieser Leistung einen konkreten Wert zu geben.
Nicole: Kreative Prozesse sehen zusammengetragen auf einer Powerpoint-Folie erstmal nach wenig aus. Was da aber für Gehirnschmalz dahintersteckt, was da alles vorher recherchiert worden ist, das siehst du erstmal nicht. Und wenn man das nicht versteht, wie will man das dann angemessen vergüten? Natürlich verhandelt man, meist hat man Budgets – das ist die Realität, das braucht man auch nicht schönreden – aber man kann anders darüber sprechen.
Sirona: Apropos sprechen: In deinem Podcast ist dir der Dialog wichtig. Aber kannst du dir auch irgendwann vorstellen allein, essay-artige Solo-Folgen zu drehen oder mit mehreren Leuten?
Nicole: Ja, mit mehreren Leuten auf jeden Fall. Moderieren kann ich auch gut, ich frage gerne viele und finde, dass ich Leute so gut zusammenführen kann. Ich merke das immer wieder, dass ich dann Fragen stelle, die sich andere nicht getraut haben zu fragen – da mache ich das dann halt.
Sirona: Aber mal Hand aufs Herz: Du sagst, du willst zeigen, wie unterschiedlich und unstetig Karrierewege sein können. Wie war’s mit deinem eigenen?
Nicole: Bei mir sieht es von außen steil und geradlinig aus: Ich habe mein Abi gemacht, ich habe eine Ausbildung gemacht, dann habe ich berufsbegleitend studiert, ich wurde übernommen und habe da großartige Projekte gemacht. Dann bin ich über einen Headhunter zu einer anderen Firma, jetzt bin ich bei einer neuen Firma und gehe da meinen Weg. Aber ob das jetzt der Punkt ist, auf dem ich bleiben werde und will, weiß ich noch nicht. Deswegen will ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen reden. Ich bereue nichts, vor allem nicht meine Ausbildung. Ich bin entschieden pro-Ausbildung, damit Leute die praktische Erfahrung haben, bevor sie ins Berufsleben gehen. Gleichzeitig habe ich ja aber auch Wirtschaftspsychologie studiert, auch weil mich die Unternehmensberatung interessiert. Aber wie wird man von der Event Managerin zur Unternehmensberaterin? Das scheint erstmal nicht zu gehen.
Sirona: Muss aber nicht unmöglich sein.
Nicole: Finde ich cool, dass du das sagst. Weil ich immer mehr merke, wie vielseitig mein Beruf ist. Alles, was du für eine Veranstaltung brauchst, machst du dann selbst – von der Architektur bis zum Filmdreh. Dadurch konnte ich in ganz viele Branchen reinschnuppern. Da ist es doch eigentlich gar nicht so unwirklich einen völlig anderen Berufsweg zu wählen – die Skills sind oft gar nicht so abwegig wie man denkt.
Sirona: Man zweifelt schnell an sich selbst, gerade wenn man beim aktuellen Job oder auf der Jobsuche wenig bis keine Erfolgserlebnisse hat. Dabei sind die meisten Fähigkeiten gar nicht so schwer zu erlernen, wenn man sich anstrengt. Man muss lernen immer zu lernen und verstehen, dass das normal ist.
Nicole: Gerade weil wir als Generation Y Privates und Berufliches immer mehr verschmelzen lassen. Da gehört auch das ständige Weiterbilden dazu, genauso wie dass wir Privates während der Arbeitszeit machen können. Gleichzeitig sind wir aber auch bereit, Arbeitssachen während unserer Freizeit zu machen. Dazu gehört auch, dass du hinter einer Idee stehst, eine Art Vision hast.
Sirona: Was sind denn deine Tipps für junge Menschen, die Karriere machen wollen? Von Jung zu Jung sozusagen.
Nicole: Einfach mal anfangen, nicht alles auf die lange Bank schieben. Dir Tipps von anderen holen, vor allem von Erfahrenen. Da muss man vielleicht mal etwas dafür bezahlen, wenn man es sich leisten kann. Professionelle Hilfe lässt dich schneller zum Ergebnis kommen.
Sirona: Du kannst nun mal nicht der Profi für alles sein.
Nicole: Genauso wichtig ist es dabei auch, Beziehungen und Netzwerke zu pflegen. Du musst nicht 1.000 Leute anschreiben – wenn ein paar Leute deine Idee gut finden und das nach außen tragen, nimmt deine Idee Fahrt auf. Wenn du eine Idee gut findest, dann fühlt es sich nicht mehr wie Arbeit an. Das darf man aber auch nicht falsch verstehen – die Arbeit muss trotzdem gut bezahlt werden.
Sirona: Es scheint auch als verändere sich derzeit die deutsche Unternehmenskultur langsam. Gefühlt möchte jeder ein Startup sein, ob es nun Sinn macht oder nicht.
Nicole: Ja, wir lockern unsere Hierarchien, verändern unsere Sprache. Dieses Umdenken ist auch wichtig, denn die Leute bleiben nicht mehr bei dir, wenn du sagst, „hey, du darfst bei mir arbeiten“. Das zieht nicht mehr. Die Leute wollen etwas Sinnhaftes, die wollen einfach Freude an der Arbeit haben.
Sirona: Letztlich verbringst du ja auch täglich 8 Stunden und mehr auf der Arbeit.
Nicole: Klar müssen wir wertschätzen, dass wir überhaupt arbeiten können, dass wir Teil eines Unternehmens sein können. Aber eine gute Arbeit zu bieten gehört nun mal auch dazu.
Sirona: Man geht eine Beziehung mit dem Arbeitgeber ein, das ist ein Geben und Nehmen. Das scheinen mittlerweile doch mehr Unternehmen zu verstehen. So viel zu deinen Empfehlungen. Aber mal anders herum gefragt: Was ist denn dein Anti-Tipp?
Nicole: Auf keinen Fall Leute fragen, die nur negativ drauf sind, dich kleinreden. Kritisches Denken und Hinterfragen ist wichtig – wer dich aber nur runterzieht, wird dich nicht unterstützen. Die Frage ist aber gar nicht so leicht zu beantworten. Denn aus den Fehlern, die man gemacht hat, lernt man auch. Dann bleiben sie einem nicht so extrem als No-Gos in Erinnerung.
Fehler verhindern zu wollen, ist
ein Fehler. Ich finde intelligente Fehler sind wichtig. Wenn sich jemand vorher
Gedanken gemacht hat, sich bewusst für etwas entschieden hat und dann daraus
lernt, ist das tausend Mal wertvoller. Für mich ist Eigeninitiative etwas sehr
Wertvolles – sich einbringen. Auch wenn man vielleicht mal Leute damit nervt.
Auch wenn das jetzt eher ein Tipp als ein Anti-Tipp ist.
Sirona: Wie du selbst immer sagst – mal sollte sich auf das Positive konzentrieren. Vielen Dank für deine Zeit, Nicole! Ich bin gespannt auf die nächsten Folgen deines Podcasts.
Wer Nicole nun gerne in Action
hören möchte und sich den ein oder anderen Tipp abholen möchte, von der
Kommunikationsberaterin bis zum Endodontologen, kann sich hier auf ihrer Seite umschauen.
Die Pomodoro-Technik ist für viele schon ein alter Hut, andere wiederum haben noch gar nichts von ihr gehört. Da ich nun schon seit Jahren auf sie schwöre, möchte ich sie heute vorstellen – und erklären, warum die Technik so genial einfach ist.
Wer ein bisschen Italienisch beherrscht, wundert sich vielleicht, warum ich von Tomaten und Zeitmanagement schreibe. Nun, entwickelt wurde die Technik in den 1980ern von Francesco Cirillo. Die Basis seiner Idee war es in Intervallen abwechselnd zu arbeiten und zu ruhen – Intervalle, die er zunächst mit einer Küchenuhr in Form einer Tomate maß.
Wozu nun aber der ganze Hickhack?
Wir können uns nur eine begrenzte Zeit lang fest auf eine Aufgabe konzentrieren – je länger wir arbeiten, desto unkonzentrierter werden wir, lassen uns ablenken, machen Fehler. Wie lange sich ein Mensch im Schnitt auf eine Sache konzentrieren kann, ist empirisch nicht bewiesen – meist werden Werte zwischen zehn und 20 Minuten in den Raum geworfen. In den letzten Jahren kam vermehrt die Behauptung dazu, dass jüngere Generationen immer kürzer werdende Konzentrationsspannen aufweisen – eine weitere nicht konkret bewiesene Behauptung. Aber wenn man behauptet, dass sich selbst Goldfische mittlerweile länger konzentrieren können als diese verfluchten Millennials, ist das natürlich eine geile Headline, nicht wahr?
Goldfische in allen Ehren, der Vergleich hinkt – und zwar gehörig. Wie lange und wie gut wir uns konzentrieren können, hängt extrem von der Aufgabe ab. Die Umgebung, die psychische Verfassung, Gesundheit, Lebensstil und -situation spielen eine erhebliche Rolle. Ob sich ein Goldfisch um die nächste Steuererklärung, Miete und die Schulnoten des eigenen Kindes sorgen muss, halte ich für zweifelhaft. Wie will man Konzentration überhaupt vergleichbar definieren ohne Gedanken zu lesen? Der Punkt ist, dass Smartphones und Co. uns gehörig ablenken, sie machen uns aber längst nicht zur Dory der Säugetiere.
Der Vergleich hinkt natürlich: Dory von „Findet Nemo“ hat Gedächtnis-, nicht Konzentrationsprobleme. Dass die beiden Felder aber eng zusammenhängen, ist kein Zufall.
Das Problem ist viel mehr die Routine unseres Alltags – das kann von Familienmitgliedern über laute Baustellen bis zu unserem Smartphone-Gebrauch gehen: Unsere Umgebung bietet ständig neue Reize, auf die wir reagieren müssen oder glauben, reagieren zu müssen. Statt also Goldfische zu beneiden, müssen wir selbst Umgebungen schaffen, die konzentriertes Arbeiten zulassen.
Sich Zeitintervalle ungestörten Arbeitens einzuteilen und diese maximal zu blocken, ist ebenso einfach wie genial. Es gibt festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten, die nicht zu debattieren sind.
Die Vorteile sind klar:
kurze Intervalle sind leichter umsetzbar als lange – und weniger abschreckend
kurze Pausen helfen der Regeneration ohne vollkommen aus dem Thema zu kommen
genaues Tracking der Produktivität
repetitives Verhalten fördert das Entwickeln von Gewohnheiten – mit der Zeit findet man seinen Fokus einfacher und schneller
vordefinierte Ziele machen das Bearbeiten einer Aufgabe einfacher und sind leichter erreichbar
Reduzierte Ablenkungsquellen
Was also braucht man, um die Pomodoro-Technik anzuwenden?
einen Plan haben: Was willst du in der definierten Zeit erreichen?
deinen Timer, egal ob Küchenuhr, Handy-Timer oder App, auf einen definierten Zeitraum stellen. Die Regel sind 25 Minuten, das kannst du aber anpassen
Bearbeite die definierte Aufgabe in diesem Zeitraum.
Ist die Zeit abgelaufen, machst du fünf Minuten Pause – danach wiederholt sich die nächste Bearbeitungsphase
Je länger du arbeitest, desto eher wirst du eine längere Pause brauchen. In der Regel heißt es, dass nach vier Bearbeitungsphasen eine Pause von 15 – 30 Minuten angebracht ist. Auch das hängt aber von dir und in welchem Rahmen du am besten arbeitest ab.
Während meines Studiums hatte ich eine bevorzugte App zum Tracken der Pomodoro-Phasen, allerdings sind die meisten Apps recht ähnlich. Theoretisch reicht auch der Standard-Timer deines Handys, ich persönlich bevorzuge aber Apps, die meine Sessions zählen und den Flugmodus während der Bearbeitungsphasen aktivieren.
Wie viele Produktivitätstechniken punktet die Pomodoro-Methode vor allem damit, dass sie nur die Basis legt und flexibel anpassbar ist an die individuellen Bedürfnisse des Anwenders. Wer lieber 15 oder 45 Minuten konzentriert arbeitet, muss sich keine Sorgen machen – der Kern der Technik ist die Arbeit in Intervallen.
Wer die Technik ein paar Mal angewendet hat, lernt eine Menge. Nicht nur tatsächlich an Lernstoff, sondern auch über sich selbst. Was ist deine größte Ablenkungsquelle, was lässt dich immer wieder zum Handy greifen? Diese Ablenkungsquellen sind an sich nichts Böses, allerdings lässt sich durch diese Technik ein kontrollierter Umgang während des Lernens oder Arbeitens erlernen.
Ab wann darf man sich eigentlich Experte schimpfen?
In meinem mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Job bin ich beispielsweise zu der Person geworden, die bei jeglichen Powerpoint-Fragen zu Rate gezogen wird. Dass ich dazu nie einen Kurs gemacht hatte und vorher ehrlicherweise bestenfalls okay mit der Office-Anwendung umgehen konnte, will ich einerseits nicht zu laut sagen – und andererseits jedem mitteilen.
Angst vor der Verantwortung
Denn vieles lässt sich durch Nachfragen, Nachahmen, Zeigen lassen und Üben erlernen. Und das sage ich nicht, weil ich Menschen ungern helfe – im Gegenteil. Ich möchte, dass Menschen ihre eigene Fähigkeit, ihr eigenes Potenzial verstehen und nutzen lernen. Zum einen ist es echt praktisch, zum anderen ist es ein verdammt gutes Gefühl. Sich hinter Begrifflichkeiten wie Experte, Profi oder Amateur zu verstecken, hemmt ungemein – vor allem in der heutigen und zukünftigen Arbeitswelt.
Viele, die ich kenne, scheuen sich davor klar auszusprechen, dass sie wissen, was sie tun und sich auskennen – mich selbst eingeschlossen. Denn damit erhöhen sich die Erwartungen anderer. Man muss liefern, sonst wird’s peinlich. Und deswegen lässt man es lieber gleich. Blöd nur, dass niemandem damit geholfen ist. Wenn jeder so denkt, findet sich niemand für die Aufgabe bzw. den Job. Blöd gelaufen.
Eine neue Lernkultur – fernab von Hierarchien
Statt uns im binären Denken an Begriffen wie Experte und Laie aufzuhängen, sollten wir es normalisieren, Dinge zu sagen wie „Ich mache das noch nicht so lange, aber ich kenne mich darin einigermaßen aus“ oder „Ich kann das recherchieren und etwas zusammenstellen. Den Feinschliff können wir dann gemeinsam machen“ ohne sich damit selbst ins Bein zu schießen. Unternehmen müssen verstehen, dass eine offene Kommunikation immer besser sein wird als ein Haufen von Lügnern, die sich als die eierlegende Wollmilchsau darstellen.
Lernen ist ein lebenslanger Prozess: Es ist ein Klischee, das jedoch einen wichtigen Grundsatz für die Arbeit der Zukunft zeigt.
Denn wenn wir alle darauf warten, dass sich der Profi oder Experte der Sache annimmt, wird nie etwas geschehen – und man selbst wird wichtige Erfahrungschancen verpassen. Keiner ist als Alleskönner aus dem Mutterleib gekrochen, aus der Schule, Ausbildung oder Studium gekommen. Was uns gut in etwas macht, ist das tatsächliche Machen. Das Recherchieren, das Ausprobieren, das unzufrieden Sein und nochmal neu, beim nächsten Mal besser Machen.
Fail smart and mindfully
In der Startup-Kultur spricht man gern von „fail fast“, was nett klingt, die Sache aber zu simplistisch darstellt. Failure bzw. Scheitern allein bringt nur etwas, wenn man auch etwas dazugelernt hat und ein Projekt nicht wissentlich gegen die Wand gefahren hat. „Fail smart and mindfully“ fände ich persönlich besser – klingt halt nicht ganz so cool.
Aber wer bin ich schon, mich als Berufseinsteiger hier hinzustellen und von Expertentum zu sprechen? Nun, ich bin eine Person, die jede Gelegenheit zum Dazulernen nutzt, Dinge kritisch beobachtet und sich daran stört, dass Karrieretipps nur von „Experten“ stammen. Klar wissen die, wovon sie reden; klar sind das nützliche Erfahrungswerte. Aber manche Fragen, die man sich als Berufseinsteiger stellt, sind für die „alten Hasen“ längst kein Thema mehr – zum Beispiel, ob man sich denn nun Experte schimpfen darf oder nicht.
Man hört niemals auf zu lernen
Letztlich will ich Menschen einfach mit auf den Weg geben, dass man kein Experte sein muss, um zu wissen, was man tut. Der Fingerschnips-Moment „So, jetzt bin ich Pro“ wird nicht kommen, man wird einer. Wer Experte ist und verlernt zu lernen, wird nicht allzu lange einer bleiben. Wer einen offenen Geist hat, bereit ist, jeden Tag zu lernen und nicht vor Herausforderungen davonrennt, ist nicht nur eine ziemlich coole Socke, sondern auch auf dem besten Weg ein Experte zu werden.
In dem Sinne: Hi, ich bin Sirona und bin zwar kein Karriere-Experte, aber lass uns doch drüber reden, wie das so ist mit der Arbeitswelt. Ich kann übrigens ganz interessante Dinge schreiben und hab ein gutes Gefühl dafür, was blöd und was gut aussieht. Freut mich, dich hier zu sehen.
Um mit mir Filme oder Serien zu sehen, muss man Nerven haben – dessen bin ich mehr sehr bewusst. An meinem Verhalten (in diesem Kontext) werde ich in naher Zukunft dennoch nichts ändern – denn ich bin der festen Überzeugung, dass Medien kritisch betrachtet werden sollten. Und das gilt vor allem für Unterhaltungsmedien. Das bekommt der Freund derzeit wieder schwer zu spüren, denn wir schauen Penny Dreadful – er zum ersten Mal, ich zum zweiten Mal und habe deswegen natürlich umso mehr Vorwissen und Anlass zum Kommentieren. Was ich sehr oft tue. Ich liebe diese Serie über alles – gerade weil sie so unperfekt ist, ihre Probleme hat und sich so herrlich kontrovers diskutieren lässt. Aber warum kann man denn Unterhaltung nicht einfach als Unterhaltung genießen, vollkommen frei von Interpretationen und Ideologien? So gut gemeint der Wunsch nach Unterhaltung um der Unterhaltung Willen auch sein mag, ich halte ihn nicht nur für unerfüllbar, sondern auch für naiv.
Kinder durchleben im Laufe ihrer Entwicklung verschiedenste Phasen – Erwachsene genauso, wir neigen nur dazu das zu ignorieren. Manche Erwachsene bleiben sogar ganz Kind. Und Medien haben einen wahnsinnigen Einfluss auf diese Phasen, dazu muss man nur an Fastnacht, Halloween oder Eltern auf ihre Kinder im Elsa-Kostüm ansprechen. Man erinnere sich auch an den Trubel um Harry Potter in den 90ern und 00ern und wie die Fantasy-Reihe auch jetzt noch (m)eine Generation bewegt. Obwohl wir doch wissen, dass Kinder jeglichen Input um sich herum wie Schwämme aufsaugen – wenn auch glücklicherweise nicht immer ganz unkritisch – fehlt oft das Bewusstsein für die Inhalte, die wir ihnen vorsetzen. Und selbst wenn man sich dessen bewusst ist, fällt die Selektion schwer. Und das nicht ohne Grund, wenn es doch oft genug die Erwachsenen sind, die vollkommen unkritisch Medien konsumieren. Wenn Frauen 50 Shades of Grey als romantisch-erotisch wahrnehmen und es ihnen auch so verkauft wird, trotz der offensichtlichen Parallelen zu häuslicher Gewalt, Missbrauch und Manipulation, dann fragt man sich, in welchen Maßen der moderne Mensch wirklich emanzipiert und kritisch Medien konsumiert. Auch wenn wir alle Dinge hinterfragen können, muss das kritische Betrachten von Medien meist erst gelernt werden. Und mit kritischem Betrachten meine ich nicht die trump’sche Trotzreaktion, wenn etwas nicht gefällt, sondern Muster, subtile und nicht immer absichtliche Nachrichten zu erkennen. Die Werkzeuge dafür, werden im Laufe der Schulzeit meist angedeutet oder vielleicht sogar gegeben, aber vielen auch im gleichen Schritt schon madig gemacht. Wenn Schüler – und Lehrer! – in der Interpretation von Texten nur eine langweilige Pflichtübung sehen und nicht das Erlernen eines tieferen Verständnisses, wie kann man dann Interesse daran entwickeln auch im eigenen Alltag später Medieninhalte zu verstehen?
Es wäre wahrscheinlich eine angenehme Abwechslung, wenn man einen Film oder eine Serie anschalten könnte, die man vollkommen unpolitisch betrachten könnte. Einfach nur unterhalten werden ohne sich Gedanken machen zu müssen – das wünsche ich mir selbst oft genug, denn auf Dauer kann es auch sehr anstrengend sein, in jedem Kontext das Positive und Negative zu sehen. Aber die Grenze zum mutwilligen Ignorieren und Schönreden ist schnell überschritten. So wie es angenehmer wäre, jedes Zurufen und Nachstarren auf den Straßen zu ignorieren, will man doch einfach Ruhe und kann solche Geschehnisse nur aktiv verdrängen. So lernt man auch in Filmen und Serien Gegebenheiten zu bemerken, die einem (unangenehm) auffallen – und es ist schwieriger im Nachhinein diese aktiv zu ignorieren, um Medien bloß zur Unterhaltung zu konsumieren. Es hat seinen Grund solche Gegebenheiten zu bemerken, denn es zwingt dazu sich mit ihnen auseinanderzusetzen, man entwickelt eigene Standpunkte und es macht einem zum mündigen Rezipienten. Wer sich kritisch mit Inhalten auseinandersetzt, wird zum aktiven Part statt zum passiven Rezipienten.
Und diese aktive Rolle lässt einen mitgestalten – nicht immer direkt, aber dennoch aktiv. Aber warum sollte ich Filme und Serien mitgestalten wollen? Ich will sie doch nur sehen? Wer kritisch Medien konsumiert, sein Feedback teilt und bewusst Inhalte wählt, die er sehen möchte, der vermittelt, welche Inhalte gut ankommen. Stark vereinfacht gesprochen: Wer Filme mit schlecht entwickelten Charakteren und langweiligen Handlungen kritisiert, anderen davon abrät, sich diese Filme anzusehen und sie selbst nicht rezipiert, vermittelt damit einen klaren Standpunkt. Schließen sich dem genug Menschen an, müssen Filmemacher reagieren und nachforschen, wo das Problem liegt. Auf Dauer werden sie gezwungen sein, Filme mit komplexeren Charakteren und interessanteren Handlungen zu machen. Schweigt aber jeder bei solch schlechten Filmen und schaut sie sich trotz der schlechten Qualität an, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt irgendwer den Mund öffnet. Medieninhalte sind ein maßgeblicher Teil unserer Gesellschaft, sie sind eng verwoben mit der öffentlichen Meinungsbildung – selbst wenn es fiktive, unterhaltungsorientierte Inhalte sind – und unterliegen ständigem Wandel. 50 Shades of Grey mag erfolgreich sein und eine riesige Fangemeinschaft haben; aber da gibt es auch die Menschen, die die Bücher und Filme offen kritisieren, die Probleme zum Thema machen und andere Personen damit sensibler für diese Themen machen.
Auch Unterhaltung vermittelt Wert – und das oft mit so viel mehr Schlagkraft als erzieherische Versuche, eben weil Unterhaltung subtiler funktioniert. Sieht ein Kind umso mehr Filme und Serien, die Mädchen als passive Prinzessinnen zeigen, die auf Rettung angewiesen sind, und Jungen als starke Helden, die niemals Angst haben und Gefühle zeigen dürfen, wird diese Auffassung mit jedem Inhalt mehr verstärkt bis die Kinder sich gar nicht mehr bewusst sind, dass das ursprünglich gar nicht ihre eigene Idee war. Wir können uns diesen subtilen Nachrichten niemals ganz entziehen und Medieninhalte möchten diese Werte womöglich gar nicht bewusst vermitteln – diese Inhalte werden schließlich auch nur von Menschen gemacht, die selbst mit unterschwelligen Nachrichten konfrontiert werden. Aber sprechen wir darüber, wie wir etwas wahrnehmen, kritisieren es, diskutieren darüber und tauschen uns aus, dann profitieren wir alle von diesem Lernprozess.
Prägende Erlebnisse erkennt man häufig erst im Nachhinein als die einschneidenden Momente, die sie sind. Meine letzte größere Offenbarung dieser Art trat mit etwa fünf Jahren Verspätung ein. So viel zum Thema mein Dickkopf und ich.
Es war einer der alltäglichen Momente im Aufenthaltsraum der Oberstufe, eine der alltäglichen Diskussionen, die ich mit einem Mitschüler zu haben pflegte. Er war überzeugter konservativer CDU-Wähler, ich überzeugte keine-Ahnung-irgendwie-sind-alle-scheiße-Wählerin. Es war eine Beziehung, die ich, trotz der fundamentalen Unterschiede in nahezu allen unserer Überzeugungen, sehr schätzte – denn wir diskutierten wirklich, oft vehement, nie einig, aber jedes Mal erhellend. Sollte diese Person das heute lesen: Beste Grüße! Ich habe damals auch Überzeugungen vertreten, die mich heute nur verzweifelt den Kopf schütteln lassen – hoffe, dir geht’s auch so.
Anlass dieser einen spezifischen Diskussion war sein Statement, dass Frauen daheim an den Herd gehörten, sie sollten bei der Familie bleiben und höchstens Teilzeit arbeiten gehen. Meine Position kann man sich denken: Geht’s noch? So diskutierten wir, kassierten mit Sicherheit den ein oder anderen genervten Blick unserer Mitschüler – ich mag es mir auch eingebildet haben – bis wir abermals an den Punkt kamen, dass jeder seine Argumente verschossen hatte und keiner vom anderen überzeugt zurück blieb. Sein abschließendes Statement kam mir erst vor Kurzem wieder in den Kopf: „Du bist ja eh so eine.“ Auf meine Nachfrage hin, was für eine ich denn genau sei, bekam ich nur sein genervtes Kopfschütteln zurück. Bis heute frage ich mich: Was bin ich denn nun eigentlich für eine?
Im Studium war meine Antwort selbstbewusst, dass ich eine Feministin sei – heute fällt sie ähnlich aus, aber immer mit einem erklärenden Nebensatz. Dass der Begriff ein Image-Problem hat, ist bei weitem nichts Neues – die einen schreien wie vom ersten Tag an, dass der Feminismus mit Männerhass gleichzusetzen sei, während die anderen stolz ihr „Feminist“-Shirt für 10 Euro tragen (been there, done that). Deshalb ist es mir wichtig meinem Gegenüber zu erklären, warum ich mich so verstehe und wie ich den Feminismus auslege – denn der kann wie nahezu jede Bewegung unterschiedlichste Formen annehmen. Meine Sorge ist weniger die persönliche Ablehnung meines Gegenübers, auch wenn das durchaus ein Punkt sein kann, sondern dass eine weitere Person abblockt,ehe sie den tatsächlichen Kern der Sache verstanden hat. Veränderungen sind selten sanft und machen es nie jedem recht – gesellschaftliche erst recht nicht – aber ich sehe größeren Nutzen darin Vorurteile ab- und Verständnis aufzubauen. Ich vertrete meine Meinung klar und deutlich, möchte aber auch diskutieren.
„Eine Haltung zu haben bedeutet auch, dass man nicht „eigentlich“ für etwas ist, sondern wirklich. Dass man seine Werte im Konfliktfall verteidigt und nicht ausblendet. Das heißt nicht, dass man den ganzen Tag mit Leuten streiten muss, denn das hält keine Sau aus, und man stirbt dann an einem Magengeschwür, bevor die Revolution fertig ist. […] Wir hören dann entweder, dass wir uns unrealistisch viel vorgenommen haben und es ein solches Maß an Freiheit nie geben wird. […] Oder wir hören, es sei vielleicht ein bisschen übertrieben, für Gleichberechtigung zu kämpfen, im 21. Jahrhundert, in Europa, denn so schlimm ist es hier ja wohl nicht. […] Was ist das für ein Bild von Geschichte, in dem Ungerechtigkeiten von allein weggehen?“ (Seite 192f.)
Wir müssen reden, diskutieren, auch mal streiten. Kein Problem hat sich jemals durch Schweigen und Ignorieren gelöst. Allzu oft verwechselt man das heute mit „Das wird man doch noch sagen dürfen“, dem Arschlochsein unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Sag‘ deine Meinung, aber wenn du das nur tust, um anderen auf die Füße zu treten, während du jeden Hauch eines Gegenworts ablehnst – dann, mein Freund, darfst du das, aber du bist leider ein Arschloch.
Es ist witzig, dass eine Äußerung zur Meinungsfreiheit als Menschenrecht fälschlicherweise oftmals Voltaire zugesprochen wird, obwohl es doch von der Autorin seiner Biografie, Evelyn Beatrice Hall, stammt: „I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it.“
Niemand wird gerne beim Sprechen unterbrochen. Niemand hört sich gerne von anderen an, welche Fähigkeiten er oder sie nicht hat – erst recht nicht, wenn die sich äußernde Person keine Grundlage für diese Behauptung hat. Niemand wird gerne klein geredet. Niemand erlebt gerne Ungerechtigkeiten und nimmt sie still schweigend hin – also warum sollte ich das tun? Manchmal ist es schwer den Mund zu öffnen, manchmal versteht man erst später, woher dieses Unwohlsein stammt und bereut es, nicht sofort etwas erwidert zu haben. Wenn ich aber Leuten gegenüber stehe, die ich mag, mit denen ich zusammen arbeite oder sonst wie in Verbindung stehe, will ich nicht „so eine“ sein. Wir Menschen wollen gemocht werden, das liegt als soziales Wesen regelrecht in unserer Natur. Aber dem gegenüber steht der Drang, sich zu wehren – und das Wissen, dass es sich wahrscheinlich wiederholen und zum Muster werden wird, wenn man nicht jetzt handelt.
Möchte ich die Person sein, bei der man nicht entspannt reden kann? Möchte ich die Person sein, die man nicht bei seinen Projekten dabei haben will, weil sie nur aufmuckt? Möchte ich meine Karriere damit sabotieren, weil ich nicht stillschweigend hinnehme, was sich nicht richtig anfühlt?
Wie unwahrscheinlich es aber ist, dass man als Frau ohne Grund, vollkommen spontan und nicht durchdacht, eine Diskussion beginnt, das wird gerne vergessen. Zu artikulieren, dass man etwas unfair und unangebracht findet, kostet Kraft, Zeit und macht einen verletzlich. Schließlich äußere ich damit, dass es mich in irgendeiner Form betroffen macht. Oder um es mit einer Passage aus Natalie Portmans Rede auszudrücken: „Stop the rhetoric that a woman is crazy or difficult. If a man says to you that a woman is crazy or difficult, ask him: „What bad thing did you do to her?“ ( ab 12:04). Zu groß ist das Bedürfnis akzeptiert und gemocht zu werden, zu stark der anerzogene Drang sich anzupassen.
Dabei profitieren wir alle von solchen Diskussionen. Wer immer nur im selben Teich fischt, im eigenen Saft schmort, wird sich auch nie verändern, nie besser werden. Wir alle verfügen über eine unglaubliche Vielzahl an Erlebnissen, Erfahrungen und Wissen – wenn wir sie miteinander teilen, in einem Umfeld, das Diskussion nicht scheut, sondern pflegt – lernen wir dann nicht alle voneinander und wachsen gemeinsam?
Wenn ich meinem Gegenüber sage, dass ich sein Statement für unangebracht halte und meine Gründe erkläre, gebe ich dieser Person die Möglichkeit eine andere Erfahrungswelt zu verstehen und in Zukunft darauf zu achten. Wenn ich das Statement vielleicht falsch interpretiert habe und mir die andere Person ihre eigentlichen Gedanken dahinter verrät, kann auch ich von einer anderen Erfahrungswelt profitieren. Diskussionen, ehrliche Meinungsäußerung und -austausch kosten Zeit, Energie und manchmal Nerven. Aber wenn man respektvoll miteinander diskutiert, enden sie häufiger in einer Win-Win als in einer Lose-Lose-Situation oder einem Nullsummenspiel.
Und damit soll dieser Text ein Reminder sein – für andere wie für mich – dass niemand gewinnt, wenn man im Stillen beleidigte Leberwurst spielt. Wir müssen den Mund aufmachen, wenn wir reden wollen. Und nur wer redet und handelt, verändert.
Stefanie Stanislawski firmly believes that HR will become the next big thing – and this is why she founded PredictivePeople, a computing software analysing employees‘ level of (dis-)engagement, stress and satisfaction in a company. In this interview, she shares her views on the future of modern work, diversity and motherhood and entrepreneurship.
Heute ausnahmsweise ein Beitrag auf Englisch, denn meine Interview-Partnerin Stefanie Stanislawski kann zwar Deutsch, fühlt sich auf Englisch aber wohler. Sie ist die Gründerin des Startups PredictivePeople, das im Kern eine Software ist, die die Zufriedenheit der Arbeitnehmer misst. Woher diese Idee stammt und warum ihr die Weiterentwicklung von HR so wichtig ist, erzählt sie mir im Interview.
Sirona: I’ve heard you talk about PredictivePeople and done my research. But I’d like to hear from you again: What is PredictivePeople and why does it matter?
Stefanie: Well, first of all, thank you for taking the time to research about PredictivePeople! PredictivePeople is a disruptive cognitive computing software which measures employees’ levels of engagement and stress, while suggesting a personalised approach to retain talent – which includes a detailed guideline for the manager and HR, and access to a tailored rewards platform for the user.
To do so it synthesizes data from various information sources, such as internal data (like corporate emails and chats) and publicly available information (such as social networks, blogs, job boards and others). Our algorithm weights context and conflicting evidence to suggest the best possible outcome. To achieve this, we use self-learning technologies that use data mining, pattern recognition and natural language processing (NLP) to mimic the way the human brain works.
It matters because companies are facing a huge disengagement problem, according to recent studies only 12% of their employees are fully engaged, representing an annual global cost of $7 trillion. Nations are seeing a peak in healthcare costs due to stress-related diseases. And individuals like you and I are tired of working for a company where we’re not treated as unique, where no one has the time to know who we are, what we want and how we are feeling. And I really believe this will worsen with the Millennials and further generations.
Sirona: What sparked your passion for HR and talent acquisition? Has there been a key moment that you can connect to the idea of PredictivePeople?
Stefanie: I am an engineer, but I’ve been working in HR for over 10 years. I just knew it from the start – I tried other departments, but nothing made me as happy as HR does. I always used to say HR would become the “next-big-thing” in any corporation, and I guess I wasn’t wrong!
The connecting moment was back in 2015 – I was extremely disappointed, demotivated and stressed at work, and realized no one cared or noticed. And I wasn’t the only one, but managers didn’t have the time to recognize the problem, and there were no tools around to help them figure out things.
Sirona: „PredictivePeople has been created to help organizations get visibility of people who are disengaged in the company, predict who has the highest chance of success to perform in the role and to map the market for possible successful candidates.“ How does PredictivePeople even define engagement and disengagement?
Stefanie: We don’t, users do. We believe people are the main driver of business success, and that’s why we are building a dynamic algorithm which adjusts to the person, and not the other way around. What causes me to become disengaged, could be very different to you or someone else. Especially if you include things like cultures or locations, the algorithm needs to be smart enough to adapt and learn from individual behaviours.
Our system analyses over 200 weekly meta data to measure the variables that influence whether an employee is at risk of burnout or disengagement.
Sirona: „Disengagement in a company“ sounds really negative, it might even give the employee a bad reputation and negatively influence how their performance is seen. How does PredictivePeople deal with this problem? And what about „real-time visibility of an employee’s engagement“- this can sound rather intrusive and big brother-like. What are your thoughts on that?
Stefanie: Well, first of all, 88% of employees are disengaged – it is no longer the problem of 1 person, this is a global emergency! And because companies are really struggling to find and keep talent, which has become the scarce resource, I don’t see why being disengaged would give an employee a bad reputation! On the contrary! Companies are now being „pushed“ to do something to revert the situation and make sure they can offer the right challenges for all, a healthy level of customization, sense of purpose and appreciation for their people.
I honestly think in today’s workplace; a month is already a very long time. Not to mention a year or three! Today’s engagement surveys are usually done once a year, in an anonymous way, with no real actions afterwards. This doesn’t change anything, and that’s why people no longer believe in these measures. PredictivePeople provide ongoing, unobtrusive scores so that managers know how their actions impact their teams – for example, what’s the ROE (return on engagement) from a corporate event? Or how is the new MKT director impacting on the sales team’s stress levels? The only way to quickly do something about it, is of you diagnose it on time.
Sirona: Do you think that sexism, racism, ageism and other forms of any sort of prejudice could be avoided with the help of PredictivePeople?
Stefanie: Yes, in the end, all answers are weighted equally. And I believe the real impact of this will come in a later stage of development, in which we’ll include predictive recruitment to the mix. The idea is that this is done 100% bias free. We’re still working on this part, and we expect to have it ready by 2020.
Sirona: Doesn’t this make recruiting teams obsolete?
Stefanie: No! I don’t think AI will replace humans, from my perspective it just provides us with the right tools and data to make faster and more accurate decisions in different areas. The same applies to recruitment, people will now know when they need to start hiring for new skills, before a person decides to leave, giving them enough room to manoeuvre.
Sirona: You also call yourself an advocate for women and millennials. How come? Plenty of people would say that we already have all we need.
Stefanie: I am a millennial mother, an entrepreneur, a business advisor, ambassador for a global women initiative, and I must say my life is not easy. If I could summarize it, the moment women (at any stage of their life) have the same professional opportunities as men, the moment society respects equally the decisions that a woman takes, and in the moment that a man has the same responsibilities and rights than a woman to exercise their role at home, then we can say that we have everything we need. But according to recent studies we’re still 200 years behind.
Sirona: What would you say is the key difference between Gen Y and older generations like the baby boomers career-wise? Do you think one of these generations is more prone to leave a job because of dissatisfaction?
Stefanie: Two things: our education and the access to technology. I could talk about this for hours, it’s a subject I am truly passionate about. Millennials and Baby Boomers had both very different foundations, and that shows in how we approach our careers. Millennials want to experience and learn, they have the need to feel special and unique, and with amazing education and distinctive skills, we’re slowly shaping the future of work. We don’t believe in loyalty or retiring from the same company. We just want to use our job as a platform to acquire knowledge and new experiences. Baby Boomers were hard-working, they delayed rewards as much as possible, they lived in a very prosperous market, which allowed them to benefit from social security, low mortgages…things newer generations won’t see.
Millennials are extremely demotivated at work, especially in Western Europe; rigidity of current structures don’t allow them to experiment, grow, experience and practice what they know. And in return, there’s a really high turnover rate from people of this generation.
Sirona: You talk about your company’s unique AI algorithm, an expression that is often talked about but still seen as an intimidating concept with many companies admitting their confusion about AI and how to use it. Do you think that this fear of the – for many still – unknown will make it harder for PredictivePeople to gain foothold in the B2B market?
Stefanie: Yes, but these things happen when new disruptive tech appears. It takes time to understand it and use it. It also depends on the market, UK and US are usually very open to new start-ups, innovation and are eager to try new things – we’re working with companies there who understand what we’re doing, they will help us show the world that there’s a new way of doing things, placing individuals as the real driver of business success.
Sirona: What is your vision for PredictivePeople’s future? Where do you see your company in five years?
Stefanie: We are aiming to open a new market, driven by the employee experience and technology. We want to place the individual as the real driver of business success. We want to transform how people relate to the HR function. We want to grow globally – starting in UK, US, then moving to LATAM and Asia, and finally coming back to Europe. We want to partner with key players in the traditional HR world who need a tech boost like the one we can offer. We want to build a dynamic company, trust-based, global-based, and completely out of the ordinary.
Sirona: People are divided on what I like to call the mum question: Should you ask a female professional who also happens to be a mother how she „does it all“? You seem to have clear stance since you talked about your role as mother before and call yourself a mompreneur. So my question to you: How do you do it all? And what is your stance on that question?
Stefanie: Routine, patience, discipline, research, meditation, you name it! Basically it’s a mix between perseverance, living one day at a time, but never losing track of the big picture, trying your best every day, and loving your “tribe” with all your heart. I don’t mind about the question; I am actually eager to know how other moms do it! I know we never ask the same to dads, but maybe we should, and we would learn a lot from them as well – my husband is definitely better at getting our baby ready in the morning – I still don’t know how he does it!
Sirona: What is your advice for young professional women?
Stefanie: Fight every day for the world you want to live in and the one you want for future generations. Choose the “hard path”. Don’t feel pressured to get married nor to have kids. If you do get married, choose wisely – make sure it’s a person who will support you in every stage, from which you’ll learn, and who won’t try to change you EVER. Find mentors who help you deal with tough decisions. Never lose track of your friends.
Sirona: And to finish this up, here’s a not quite easy one: How would you describe PredictivePeople to a not-so techy grandparent?
Stefanie: I explained the following to my dad, who’s 76 years old: “Dad, imagine your iPhone (because grandparents now have iPhones) could have the possibility to understand you, what you do, what you search on Google, who you talk to… Now imagine he (let’s assume it’s a “he”), could use that information to make your life better. For example, he knows you like to read Historical Novels, so he’d weekly suggest new books which match your taste. Or he would make a reservation for you and your friends to go golfing next week. Or he’d remind you to take your pills, and once they’re running low, he would ask the drug store to send you more. Would you find that useful? Well, this is called artificial intelligence, and PredictivePeople is kind of the same, it is a smart tool inside people’s computers which understand how employees in companies behave and make their life, their manager’s life and HR’s life better. How? PredictivePeople knows how each user behaves, it has access to multiple data which gives the tool important hints, that it then turns into scores and personalities. It is able to identify when someone is becoming disengaged or stressed, then, because PredictivePeople knows who’s that person, it suggests a series of rewards or programs that match his/her personality and needs, which would make that person happier, for example, taking yoga classes, going on holidays or taking a day off. It also alerts his/her manager, and tell him/her what to do to help that specific person. Isn’t that amazing?”
His answer: “I want that on my iPhone! And better make it a she.”
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist seit Jahren Streitthema, eine Verbesserung ist so bald nicht in Sicht. Wer keine Unterstützung durch die Familie bekommen kann, kann im Prinzip nur auf einen flexiblen Arbeitgeber hoffen – und selbst das bietet nur geringe Entlastung. Jana Ehret und Yvonne Schrodt kennen dieses Problem und haben sich eine eigene Lösung geschaffen: CoWorkPlay, ein Coworking-Space, das nicht nur Räume, sondern auch eine pädagogische Betreuung für Kinder bietet. Ich habe mit den beiden über das Konzept von CoWorkPlay gesprochen, welche Herausforderungen ihnen begegnet sind und was als nächstes ansteht. So viel will ich verraten – nächster Stop: Weltherrschaft.
Ein Power-Couple der Frankfurter Startup-Szene: Yvonne Schrodt und Jana Ehret
Sirona: CoworkPlay, der Name ist Programm. Wie kamt ihr auf die Idee?
Jana: Weil ich mir damals dachte, dass es nicht sein kann, sich als Frau entscheiden zu müssen: Karriere oder Kind. Mein Problem war, dass meine Eltern nicht in der Nähe waren; ich wollte Kinder, dachte mir aber gleichzeitig: „Dafür hast du doch nicht studiert, das kann’s doch nicht sein.“ Konkrete Lösungen gab es nicht: Kitas waren entweder heillos überfüllt oder am Ende der Welt. Von den Aufnahmezeiten will ich gar nicht erst anfangen. Und Arbeitgeber waren noch nicht so flexibel – bei Yvonne gab’s damals glücklicherweise eine Ausnahme -, aber die Arbeitgeber, die ich bis dato kennengelernt habe, waren nicht so flexibel, dass man es gut vereinbaren konnte. Da musste irgendwie eine Lösung her, damit du beides sein konntest – weil nur Mutter sein, die üblichen Muttergespräche führen, auf dem Kinderspielplatz versauern und sich denken, „Okay, ich bin eine Frau und ich kann eigentlich noch viel mehr“, kam für mich nicht in Frage. Und daher kam das Konzept: Ohne sich zu zerreißen, alles unter einem Dach zu haben, Business-Frau zu sein: erfolgreich sein, Unternehmen zu führen, ein Startup zu führen, gleichzeitig aber auch in der Lage zu sein, Eltern zu werden und die Kinder auch einfach mitzuerleben. Ich sage zwar immer Business-Frau, wobei das eigentlich auch für die Väter gilt. Die Kinder morgens nicht nur in der Kita abzugeben, um sie abends wieder abzuholen und sich dann die Frage zu stellen, was man eigentlich von seinem Kind hat.
Sirona: Die Beschreibung aus deiner Perspektive zeigt auch schön, dass CoWorkPlay erst mal dein Projekt war und Yvonne erst später dazu kam. Wie habt ihr denn zueinander gefunden? Beide lachen und grinsen sich an.
Jana: Social Media sei Dank: Facebook. Mein damaliger Gründungspartner ist damals nach einem Dreivierteljahr ausgestiegen, zurück in die Angestelltenrolle und ich hatte dann in einer Facebook-Gruppe für Rhein-Main-Startups den Post gesetzt: „Junge Gründerin mit toller Idee sucht!“ Wie so eine klassische Kontaktanzeige. Daraufhin meldete sich dann black chili (Anm.: Company Builder) entgegen meiner Erwartung, dass sich bestimmt niemand melden würde. Aber da bin ich dann zu black chili und da war Yvonne. Im roten Blazer. Alle lachen.
Sirona: Oh, so genau gemerkt?
Jana: Ja, der rote Blazer ist im Kopf geblieben. Wenige Tage später hieß es dann, dass black chili eine Lösung habe, denn man hatte zuvor selbst die Idee eines Coworking-Spaces verfolgt, auch wenn es eher als Startup-Center angedacht war. Und dieses Projekt lief parallel zu CoWorkPlay, da war der Gedanke natürlich naheliegend, das irgendwie zu verheiraten. Nach einem internen Gespräch war dann klar, dass Yvonne das gerne machen würde. Denn sie kennt genau diese Problematik und irgendwie habe ich sie überzeugen können. Schaut grinsend zu ihr. Was auch immer ich da getan habe.
Yvonne: Ich fand das super spannend, eben weil ich dieses Thema als Mama selbst kenne. Ich hatte das Glück damals einen sehr flexiblen Arbeitgeber gehabt zu haben, der sagte: „Es ist egal, wo du sitzt, das geht auch aus dem Home Office.“ Wenn ich arbeiten war, war mein Mann immer da. Daher wusste ich aber auch, wie schwierig das ist, und was es für ein Gefühl ist, wenn du dein Kind irgendjemandem geben musst. Das wäre für mich überhaupt nicht in Frage gekommen. Und deswegen fand ich dieses Konzept so toll. Aber ich wusste, wir (Anm.: bei black chili) haben ein anderes Coworking-Konzept, das wir verfolgten – das war zwar ein schönes Thema, aber wollen wir das denn machen? Und dann meinte Recai Gündüz (Anm.: CEO und Gründer von black chili): „Na, ich hab‘ da eine Lösung – dann machst du das halt einfach selbst!“ Beide lachen, Yvonne ahmt ihre fassungslose Reaktion auf die Aussage nach. „Du wirst einfach Unternehmerin!“ Meine Antwort war schlichtweg: „Du hast sie nicht mehr alle! Will ich nicht.“ Er bat mich aber, einfach mal zu überlegen und ja, ab da nahm das dann so seinen Lauf. Und heute sind wir hier.
Sirona: Trotz eurer Unterschiede, die ihr häufig betont. Was ist eurer Geheimnis, dass ihr ein so gutes Team seid?
Jana: Zu akzeptieren, dass der eine Stärken, aber auch Schwächen hat. Und ihn vor allem für seine Stärken zu schätzen und die Schwächen hinzunehmen
Yvonne: Es ist ja auch nicht so, dass bei uns alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Eben wegen dieser Differenzen, auch weil wir uns erst seit dieser relativ kurzen Zeit kennen, knallen wir auch oft gegeneinander. Wir sind beide Alpha-Tiere und jeder versucht seinen Willen durchzusetzen. Man muss lernen zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die die Arbeit anders machen als man selbst, aber sie kommen genauso zum Ziel wie du auch. Das geht mal leichter, mal schwerer. Wir haben da auch durchaus schon den ein oder anderen Rat von jemand Externem genommen, wenn es um strategische Entscheidungen ging – denn das sind oft Situationen, da ziehen wir in verschiedene Richtungen. Letzten Endes ist das Ziel das gleiche, nur der Weg, der beschritten wird, ist unterschiedlich. Und da braucht man manchmal auch Impulse von außen, um die Wege wieder zusammenzuführen. Man muss lernen sich für die Ziele persönlich zurückzustellen. Und das kann schwer sein.
Jana,nickend: Egal, wie unterschiedlich wir auch sind, wir haben dasselbe Ziel. Wir haben beide viel in das Projekt investiert – und ich rede da nicht nur von Geld, sondern auch von Zeit und Herzblut. Das ist quasi unser Baby und dafür kämpfst du natürlich und willst, dass es dem gut geht. Wenn du dir das verinnerlichst, dann funktioniert die Zusammenarbeit. Da denkst du dir vielleicht, „Das ist vielleicht scheiße gelaufen, aber es geht weiter“, denn im Endeffekt schlägt ja das Herz für dasselbe Ziel. Du hast dich dafür entschieden, du willst es machen und dann machst du weiter, weil du genau weißt, dieser Weg ist nötig.
Yvonne: Aber das muss nicht heißen, dass es uns persönlich schlecht geht. Ja, man muss sich zurücknehmen. Aber es ist fast wie in einer Ehe, du lernst Kompromisse einzugehen, jeder muss mal nachgeben und dann funktioniert es relativ gut.
Jana: Damals beim Notar (Anm.: bei der Gründung) war es fast so, als würde man uns fragen: „Willst du diese Frau zu deiner Frau nehmen?“ Beide lachen. Es hat so ein bisschen was von der Soap Hochzeit auf den ersten Blick. Man kannte sich anfangs nicht, wir sind irgendwie verschieden, aber wir wollten es gemeinsam probieren.
Sirona: Seit der Gründung habt ihr eine Menge gemeinsam gelernt. Wenn ihr Gründern einen Ratschlag ans Herz legen könnt, welcher wäre das?
Jana: Arschbacken zusammenkneifen und springen. Keine Angst davor haben. Wenn du nur darüber nachdenkst zu scheitern, zu verlieren, etwas in den Sand zu setzen, brauchst du nicht zu gründen.
Yvonne: Wenn du nicht zu 100% dahinter stehst, dann lass‘ die Finger davon. Dann scheiterst du. Du wirst scheitern, weil du dich selbst ausbremst – du fährst mit angezogener Handbremse. Überzeugung ist kein Garant dafür, dass du Erfolg haben wirst, aber es ist definitiv so, dass du scheitern wirst, wenn du nicht dahinter stehst. Besonders wenn du keine unterstützende Umgebung hast. Wenn wir unsere Familie und Partner nicht hätten, die uns immer wieder den Rücken freihalten, dann könnten wir das so nicht machen. Das brauchst du um Kraft zu tanken, du brauchst einfach den Rückhalt. Und wenn du dann nicht einmal selbst von deiner Idee überzeugt bist, dann wird das nichts.
Jana: Und vor allem bei Frauen: Sei stolz auf deine Idee. Wenn sich ein Mann dahin stellt (stemmt die Hände in die Hüften und setzt sich auf) und laut meint, „Heeey! Seht her, ich hab‘ das gemacht“, dann kommt eine Frau daher und pitcht (leise, macht den Rücken krumm und zieht die Schultern zusammen), „Ja, ich hab‘ da sowas gemacht und dann läuft das ganz guuut…“ Es ist wirklich so. Ich möchte diese Frauen rütteln und ihnen sagen: „Hey, sei‘ doch stolz drauf. Brust raus, laute Stimme – come on! Du hast etwas ganz Tolles geschaffen, steh‘ doch dazu.“ Warum fällt das einem Mann oftmals viel, viel leichter seine Idee stolz und vollkommen von sich selbst überzeugt zu präsentieren? Da kann die Idee der Frau mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sein. Sei stolz, steh‘ dazu, feier das. Feiere jeden Tag, was du erreicht hast.
Sirona: Besonders wenn man von außen ohnehin genug Gegenwind erfahren wird.
Yvonne: Es gibt ganz viele, die an dir zweifeln werden; ganz viele, die alles besser wissen und dich belehren wollen. Und ich denke mir, „Natürlich, erzähl‘ mir mehr. Du bist jetzt Angestellte und ich habe ein Unternehmen, bin selbstständig und habe so und so viele Mitarbeiter. Und wir machen jetzt einen zweiten Standort auf. Was genau hast du geschafft?“
Jana: Und feiere deine Erfolge. Kleine Erfolge, große Erfolge, jeden Erfolg.
Yvonne: Anfangs haben wir hier jedes Ding, das hereinkam, gefeiert. Als die EZB kam, habe ich erst mal meinen Papa angerufen. Wenige Hundert Euro oder jeden großen Kunden: Auch wenn du damit nicht die Miete bezahlen kannst, feiere dich.
Jana: Oder als Facebook damals eine Veranstaltung bei uns hatte. Das hat den Maßstab für alles weitere gesetzt – die Events, das Herausfinden, was beim Kunden ankommt. Das macht uns so gut: Wir zeigen jede Menge Professionalität, aber wir haben vor allem das Herz am richtigen Fleck und gehen mit Herzlichkeit hier hinein. Wer durch diese Tür hier kommt, der wird liebevoll begrüßt, als sei es unser Wohnzimmer. Egal, ob es ein Coworker, die Deutsche Bahn oder ein Kaiser sein sollte, der wird genauso behandelt, wie jeder andere auch. Als ob man nach Hause kommt.
Sirona: Stichwort Wohlfühlen: CoWorkPlay. Auch kinderlose Coworker bringen sich voll ein und interagieren mit den Kindern. Wie funktioniert das Zusammenleben hier?
Yvonne: Die Leute, die hier reinkommen, die wissen, dass Kinder da sind – und dass Kinder eben nicht immer nur leise sind. Die meisten haben damit überhaupt kein Problem, sie finden das sogar schön, wenn hier ein Kind mit dem Bobby-Car durch die Welt fährt. Klar gibt es laute Tage, da braucht man mehr Nerven. Aber dann macht man die Bürotür zu. Das wissen die Leute. Wir haben mit voller Absicht auch Spielelemente für Erwachsene eingebaut, da springt man auch mal als Tischkickerpartner ein. Man selbst muss wissen, ob man dieses familiäre Umfeld will – und wer sich das vorstellen kann, der kommt hierher. Es gibt auch Menschen, die merken, dass es nichts für sie ist. Das ist okay, die finden woanders ihren Platz.
Jana: Aber wenn dir dann ein Coworker sagt, er vermisst die Kinder, dann ist das wirklich schön. Die Kids merken sich Gesichter, es gibt dieses Gefühl des Familienzusammenhalts – du bist nicht einfach nur Coworker. Das erdet. Das hast du sonst nirgendwo.
Yvonne: Oder wenn ein Kind sein Gesicht gegen die Glasscheibe drückt und damit einfach ein komplettes Meeting einer Bank crasht. Da haben wir uns auch um die Reaktion gesorgt – bis wir merkten, wie sehr das die Stimmung entspannte. Ein Meeting voller Männer und auf einmal haben alle gelächelt. Kinder genießen einfach diese Narrenfreiheit. Alle, die hier einen Bereich mieten, die sind im Herzen noch ein Stück weit Kind.
Sirona: Wenn man rund acht Stunden am Tag auf der Arbeit verbringt, ist es natürlich auch nett, wenn man sich ein Stück Familie mitnehmen kann. Wenn’s nicht die eigenen Kinder sind, dann sind es die der anderen.
Yvonne: Wenn ich völlig fertig bin, dann kann ich einfach eine halbe Stunde in den Kinderbereich gehen, mit ihnen Blödsinn machen. Und wenn ich wieder herauskomme, sieht die Welt ganz anders aus.
Sirona: Möchtet ihr das gleiche Konzept mit dem Flying Nanny Service, also der Kinderbetreuung, auch in der MyZeil beibehalten?
Jana: Leider nein. Die Fläche ist zu klein.
Yvonne: Die Zielgruppe ist da tatsächlich auch eine ganz andere. Da sind eher die Tagesgäste und Veranstalter im Fokus. Obwohl man in der MyZeil durchaus über eine Kinderbetreuung nachdenkt. Da könnten wir uns durchaus eine Kooperation vorstellen, aber dafür werden wir nicht extra Fläche anmieten. Wir möchten nicht, dass man die Kinder einfach nur für ein, zwei Stunden parkt. Wir sagen immer, wir sind ein Bällebad mit Qualität. Und die Qualität der Betreuung ist uns wichtig. Aber an anderen Standorten wollen wir das durchaus wieder aufgreifen.
Jana: Die Schwerpunkte wollen wir je nach Filiale setzen. Weiter auf dem Land kann man den Schwerpunkt vielleicht wieder mehr auf den Kinderbereich legen und eine richtige Kita anschließen. Das ist alles denkbar, denn bei CoWorkPlay sind es letztlich drei einzelne Bausteine, die du je nach Bedarf wählen und variabel anordnen und gewichten kannst. Hier im Mutterschiff (Anm.: Frankfurter Ostend) ist das relativ ausgewogen und in der MyZeil sind es eher die ersten zwei Bestandteile.
Sirona: Ihr weist ja immer wieder auf das Baustein-Konzept hinter CoWorkPlay hin. Passend zum Play funktioniert das ja wie Lego-Steine. War das von Anfang an die Idee dahinter oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt?
Jana: Gerade in der Gründungsphase haben wir das Kinder-Konzept gefühlt fünf Mal umgeschmissen. Man steckt ja nicht drin, wir sind beide keine Erzieher und dann fängst du als komplett Branchenfremder an dich in so ein Thema reinzuarbeiten. Und du denkst dir erst, „okay, dann machen wir das halt so“ – bis eine Behörde kommt und du merkst, dass das so nicht geht. Und dieser Austausch ist dann ein ewiges Hin und Her.
Yvonne: Also jedenfalls wenn du mit der Behörde arbeiten willst. Wenn du ohne die Behörde und ohne irgendwelche Zuschüsse klar kommen willst, dann kannst du letzten Endes tun und lassen, was du willst. Das Schulamt war seinerzeit da gewesen und hat sich hier alles angeguckt, wie wir das machen, damit wir auch keine Richtlinien verletzen. Es wird einem aber extrem schwer gemacht – obwohl es diese Situation mit Kindertagesstätten, Kindergartenplatzmangel gibt, obwohl es zu wenig Tagesmütter gibt, obwohl man weiß, dass es für Kinder eigentlich eher schädlich ist, sie ab einem gewissen Alter schon in die Krippe zu geben. Trotzdem sind die Städte und die Politik nicht offen für solche Konzepte. Im Gegenteil: Sie verfolgen veraltete Konzepte, die auch gar nicht so gut sind für die Kinder, weil du keine Kontrolle hast, was dort passiert. Wir kennen Insider, die sagen, dass man oft gar nicht sieht, was hinter verschlossenen Türen passiert. Die Kinder sind klein, sie können sich nicht artikulieren; du weißt nicht, ob ein Kind nachts auf einmal schreit, weil es am Tag vielleicht etwas erlebt hat, das belastet und nicht verständlich ist. Wir streben eine Studie mit dem Kinderbereich bei uns an, weil wir nach über einem Jahr das Gefühl haben, dass unsere Kinder hier, deutlich entspannter sind und auch deutlich weniger krank sind als Kinder im Kindergarten. Das kann natürlich an der kleineren Gruppe liegen, aber auch daran, dass die Kinder keine Verlustängste haben müssen und weniger Stress erfahren. Diese Kinder hier sind satt, sie kriegen von allen Seiten Liebe und die Eltern wissen: Hier ist alles offen, die Eltern können jederzeit sehen, wie mit den Kindern umgegangen wird. Natürlich gibt es Regeln – aber auf eine Art und Weise, die sie verstehen können und lernen lassen. Aber es wird auf jedes Kind eingegangen, mit ihnen gesprochen. Eine Mama hat sich tatsächlich aktiv gegen den Krippenplatz entschieden. Sie hat allen Seiten eine Chance gegeben, hat es aktiv mit einer Eingewöhnungsphase probiert und sie sagt: Für sie ist das ein ganz anderes Umfeld, sie fühlt sich damit nicht wohl – und will lieber bei uns bleiben, denn hier ist das für sie Familie.
Sirona: Wenn das kein Erfolg ist, den man feiern kann.
Yvonne: Genau! Wenn so ein Feedback kommt, dann haben wir alles richtig gemacht.
Jana: Aber allein, wenn dich ein Kind anstrahlt und dir ein High Five gibt. Das sind die schönsten Momente.
Yvonne: Am liebsten bringe ich den Kindern Unsinn bei und ärgere Heidi, unsere pädagogische Leitung, ein bisschen damit. Lacht.
Jana: Dann heißt’s, „Jana, Yvonne, wir haben hier Regeln!“ Beide lachen.
Sirona: Wie war das mit dem Kind im Erwachsenen? Hand auf’s Herz: Würdet ihr im Nachhinein irgendetwas anders machen?
Yvonne: Nein. Denn dann wäre es nicht mehr so, wie es jetzt ist. Und ich weiß nicht, ob es dann so wäre, wie es jetzt ist. Ich glaube, der Weg, den wir gegangen sind, war der richtige.
Jana: Zwei, drei Fehler sind uns passiert, natürlich. Aber auch aus diesen Fehlern haben wir für uns die Lehren gezogen, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Und das ist wichtig.
Sirona: Und als nächstes kommt dann die Weltherrschaft, wie ihr so gern sagt?
Beide: Aber sowas von. Lachen.
Jana: Im Nachgang muss ich auch sagen: Bevor wir hier auf den Markt kamen, hat sich niemand im Rhein-Main-Gebiet für Gründerinnen interessiert. Und kaum veranstalten wir die Female Founders Edition, macht es plötzlich jeder.
Yvonne: Nachahmung ist halt die höchste Form der Wertschätzung. Es gibt vieles, was wir falsch gemacht haben – aber wir haben auch eine Menge richtig gemacht. Und das war der richtige Weg für uns.
CoWorkPlay, ein innovatives Coworking-Space im Frankfurter Ostend.