Fit für Arbeit 4.0? – Die Skills der Zukunft

Die Digitalisierung ist nicht jedem geheuer, erst recht nicht in Deutschland. Und das ist verständlich, denn es liegt in der menschlichen Natur, Veränderungen kritisch gegenüber zu stehen. Veränderungen bringen unbekannte Variablen mit, stellen bewährte Strukturen auf die Probe und jagen uns damit aus unserer Komfortzone.

Sie bieten aber auch Chancen – im Fall der Digitalisierung eine langfristige Effizienzsteigerung, aber vor allem auch eine neue Definition des Begriffs „Arbeit“. Womit werde ich in Zukunft Geld verdienen? Was definiert eine sinnvolle Tätigkeit, wenn Jobs zunehmend automatisiert werden? Schon jetzt, vorangetrieben durch COVID-19, sitzen viele im Home Office und sehen sich mit der Frage konfrontiert: Wie wird meine Arbeit zukünftig aussehen?

Wir befinden uns schon seit Jahren im Umbruch. Doch dieser hat jetzt noch mehr Tempo aufgenommen. Die digitale Transformation ist ein fortlaufender Veränderungsprozess mit tiefgreifendem Einfluss auf uns als Einzelpersonen, auf uns als Gesellschaft, auf den Staat und die Wirtschaft. Da kann man nun in Panik geraten oder die Hände auf Augen und Ohren pressen und die Situation ignorieren bis man mit vollem Karacho gegen die Wand fährt – egal, für welche Variante man sich entscheidet, die Zukunft können wir dennoch nicht vorhersehen. Wir können spekulieren, Trends beobachten und versuchen einen educated guess zu formulieren. Wir können letztlich nur versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten. Dann lässt man das auch fein mit der Karacho-Wand-Affäre – macht keinen Spaß, glaub’s mir.

educated guess:

a guess that is made using judgment and a particular level of knowledge and is therefore more likely to be correct

Cambridge Academic Content Dictionary © Cambridge University Press

Wenn ich jetzt einen educated guess formulieren müsste: Menschen werden in naher Zukunft als Arbeitnehmer nicht ersetzt werden, ihre Aufgabenstellungen und Verantwortlichkeiten werden sich aber signifikant verändern. Simple, repetitive Aufgaben werden automatisiert – nicht heute, nicht morgen, aber abhängig von der Komplexität der Aufgabenstellung wird es früher oder später passieren.

Aber es gibt Fähigkeiten und Aspekte unseres Daseins, die werden so schnell nicht ersetzt werden, eben weil sie uns so menschlich machen: Strategisches Denken, der Wille zu lernen und die daraus resultierende Fähigkeit querzudenken, auch gerne thinking outside the box geschimpft.

Strategisches Denken

Analytisches Denken kann bis zu einem gewissen Grad von künstlicher Intelligenz übernommen werden, natürlich – aber die Interpretation von Datensätzen, von Trends und menschlichem Verhalten kann nur bis zu einem gewissen Grad wegrationalisiert werden. Bisher wurde noch keine starke KI entwickelt, die dazu in der Lage wäre.

Schwache KI:
Regelbasierte Systeme, die Lösungen für bestimmte, vorab definierte Probleme suchen. Oberflächliche Problemlösung, die in ihrer Methode nicht variiert. Kann deshalb auch nicht auf Veränderungen adäquat reagieren.

Starke KI:
Systeme, die planen, lernen und entscheiden. Kombinieren eigenständig und weisen „logisches Denkvermögen“ auf, wodurch sie auf Veränderungen eigenständig und adäquat reagieren können.

Was ist strategisches Denken?

Strategisch denken heißt, zukunftsgerichtet zu denken und zu planen – basierend auf logischem Denken und Interpretation. Beim logischen Denken kommen zwei Schlüsselelemente zusammen: Zusammenhänge müssen verstanden werden und Kontext muss gegeben sein. Zusammenhänge und Kontext ermöglichen es, eigene Interpretationen zu formulieren und anhand dieser für die Zukunft zu planen.

Warum sich Maschinen mit Strategie schwer tun

Dabei wird das Menschliche immer elementarer werden. Anhand von Daten kann man zwar die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse berechnen und anhand dieser Ziele formulieren. Aber da wo Menschen sind, kommen unzählige unbekannte Variablen zusammen. Als Mensch bin ich in der Lage das Verhalten anderer zu interpretieren und dieses in mein Denken einzubeziehen. Maschinen können lernen, Menschen zu lesen – aber sie zu motivieren, sie empathisch zu behandeln, das könnten sie nicht auf vergleichbarem Level nachahmen. Strategisches Denken ist mehr als Ziele formulieren – es ist das Interpretieren zahlreicher harter, datenbasierter und weicher, menschlicher Faktoren. Und das Formulieren einer Strategie setzt vor allem eins voraus: Eigenmotivation. Während Maschinen ein vorgegebenes Ziel benötigen, entstehen menschliche Ziele (und Träume!) aus vielfachen, komplexen Gründen.

Ein Beispiel:

Eine Maschine kann lernen, Diagnosen zu erstellen. Um möglichst präzise Diagnosen zu erstellen, muss die Maschine mit möglichst vielen Fallbeispielen „gefüttert“ werden. Es gibt nur das extern vorgegebene Ziel: akkurate Diagnosen formulieren. Ein Mensch muss zwar auch möglichst viele Beispiele und Fälle bearbeiten, um zu lernen – aber die Motivation ist nicht, Diagnosen zu stellen. Das Ziel eines menschlichen Arztes ist nicht, präziser sagen zu können, was dem gegenüber fehlt – sondern zu helfen. Und um dieses Ziel zu erreichen, reicht eine Diagnose nicht aus. Um zu helfen braucht zum Beispiel auch noch Empathie, eine vertrauenswürdige Ausstrahlung, beruhigende Worte – und nicht nur ein Ergebnis.

Der Wille zu lernen

Wer Lernen Teil des täglichen Lebens werden lässt, wer regelmäßig brainstormt, schreibt, zeichnet, dem wird vieles leichter von der Hand gehen. Und wer ständig ein bisschen lernt, der wird Freude daran empfinden und vor allem besser auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft positioniert sein.

Lernen, um relevant zu bleiben

Natürlich werden uns künstliche Intelligenz und Maschinen nicht komplett ersetzen können; aber wir müssen auch unseren Beitrag dafür leisten, uns nicht selbst obsolet zu machen. Die Arbeitswelt wird sich auch im veränderungsscheuen Deutschland mit zunehmender Geschwindigkeit wandeln und weiterentwickeln, da muss der Arbeitnehmer von heute Schritt halten können.

Allerdings sollten auf dem „Curriculum“ des modernen Arbeitnehmers nicht bloß spezifische Fähigkeiten wie bestimmte Programmiersprachen oder Sprachen stehen, sondern vor allem Soft Skills. Denn wer seine Führungsphilosophie weiterentwickelt und an Menschen ausrichtet, menschliches Verhalten versteht und Konflikte managen kann, wird in der Zukunft immer wichtiger werden – denn, wir wissen schon, das Menschliche wird wichtiger. Aber gerade die Fähigkeit des Lerntransfers wird elementar sein, um sich schneller und besser auf die sich wandelnden Umstände einrichten zu können.

Thinking outside the box

Kreative Ideen, innovative Ansätze, clevere Ideen – das sind alles geistige Leistungen, die scheinbar teils Glückssache, teils Zufall und teils Ergebnis passender Umstände sind. Aber sie liegen viel mehr in unserer eigenen Hand als wir vielleicht wahrhaben möchte. Sie sind wie Muskeln: Wer sie ständig beansprucht, trainiert und dehnt, dem wird es über längere Zeit leichter fallen und bessere Ergebnisse liefern.

Lernen ist zwar die Basis künstlicher Intelligenz. Doch maschinelles Lernen und menschliches Lernen werden sich noch auf unbestimmte Zeit dahingehend unterscheiden, dass maschinelles Lernen zielgerichtet und zweckgebunden stattfindet. Menschliches Lernen hingegen, ist „unordentlich“ und ermöglicht Lerntransfer – und somit Innovation.

Was heißt das nun für mich?

Wir mögen den Herausforderungen, vor die uns die heutige Zeit stellt, zwar skeptisch entgegenblicken – und das zurecht. Arbeit, wie wir sie heute und die Generationen vor uns kannten, nimmt eine nie dagewesene Form an. Arbeit könnte in der Zukunft zum Beispiel durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für das wirtschaftliche Überleben von Einzelpersonen keine Notwendigkeit mehr sein. Stattdessen wandelt sie sich zu einer sinnstiftenden Tätigkeit.

Aktuell stehen wir an einem Wendepunkt, der sich zunächst als Generationskonflikt dargestellt hat: Die Generation Z wird gerne für ihre Sinnsuche in der Arbeitswelt belächelt. Gleichzeitig sind sie aber auch eine Generation, die mit den Nachwirkungen von 2008 aufgewachsen ist, die bezweifelt, dass sie überhaupt noch eine Rente erhalten wird und meiden den Immobilienkauf. Aufgewachsen in einem Umfeld voller Unsicherheit, hat sich die Grundeinstellung festgesetzt, dass nichts von Dauer ist – und dann soll die Arbeit wenigstens einen Sinn haben.

Ob diese Unsicherheit in den nächsten Jahren abnehmen wird, ist ungewiss. Doch eins steht fest: Der Wandel der letzten zehn Jahre wird nur noch schneller stattfinden – und wir sehen uns mit einer so nie da gewesenen Situation konfrontiert.

Das bringt ein großes Set an Problemen mit sich, ohne Frage. Aber hinter alldem steckt auch eine Chance: Wenn Menschen irgendwann nicht mehr arbeiten müssen, sondern können und wollen – was können wir dann erreichen? Doch allem voran stehen wir vor einer gigantischen Herausforderungen: Die Chancen der digitalen Transformation können wir nur wahrnehmen, wenn wir als Gesellschaft lernen, für alle zu sorgen und die Kluften zu schließen.

Quelle: Markgraf, Daniel. (2018). AKAD Studien 003 – Arbeitswelten im Wandel – Auswirkungen digitaler Transformation.