JobCast: Karriere kann jeder machen

Nicole Pauli durfte ich auf dem Webmontag Frankfurt das erste Mal erleben – und da schlug sie ein wie eine Bombe. Ihr Kurzvortrag wurde bereits mit der Vorwarnung angekündigt, dass dies ihr erstes Mal auf der wmfra-Bühne sei und sie regelrecht vor Lampenfieber glühe. Diese glühende Energie brachte sie direkt mit auf die Bühne und erzählte von ihrem Karriere-Podcast mit dem passenden Namen JobCast, den sie zu dem Zeitpunkt bald starten würde.

In ihrem Podcast spricht sie mit Menschen, die sich auf den unterschiedlichsten Sprossen ihrer Karriereleiter befinden, und fragt sie, wie sie dahin kamen und wohin sie noch wollen. Ihr Ziel sei es, die einzigartigen Wege und Geschichten von Menschen im Beruf zu porträtieren, um einerseits zu sagen, was man alles erreichen kann – und andererseits, dass das kein Hexenwerk, sondern sehr wohl erreichbar sei.

Sirona: Nicole, danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Erzähl‘ mir doch zu Anfang, wer du bist und wie du auf die Idee von JobCast kamst.

Nicole: Den Podcast mache ich jetzt seit Mitte September, richtig los geht es aber erst Ende September. Eigentlich wollte ich ja gründen, aber dafür fehlte mir schlichtweg die richtige Idee. Als ich eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit einen Podcast hörte, wurde mir klar, wie spannend und interessant es ist, was man da so aus Leuten rauskriegt. Und da ich selbst ein Mensch bin, der gerne und viele Fragen stellt, kam dann der Entschluss, dass ich selbst einen mache. Zum Thema führte letztlich meine Lieblingsfrage: „Und, was machst du eigentlich beruflich?“ Das ist bei mir einfach intuitiv drin, weil der Beruf für mich selbst einen enorm hohen Stellenwert hat. Und so kam es dazu, dass es im Podcast, um Beruf und Karriere geht. Denn viele trauen sich nicht Fragen zu stellen – dabei ist der Austausch so wichtig.

Sirona: Es kostet ja auch Überwindung Menschen so direkt um Tipps zu bitten. Vor allem wenn’s um das liebe Geld geht.

Nicole: Genau. Da muss ich noch für mich herausfinden, wie ich das angehen will. In den ersten Interviews habe ich das noch nicht aufgegriffen. Gerade in Deutschland ist das so schwierig – wenn du jemanden ganz konkret fragst, wie viel er oder sie verdient, antworten sie mir mit ihren Umsatzzahlen oder reden um den heißen Brei herum. Was sie denn verdienen, das sagt wahrscheinlich nicht jeder. Da ist die Sorge um die Reaktion der Kollegen. Interessant fände ich es aber, wenn die Leute sich doch trauen.

Sirona: Es ist ein schwieriges Thema, bei dem man sich auch gerne schnell in die Nesseln setzt.

Nicole: Genau. Aber sagen wir es so, die Angst gibt es auch bei ganz simplen Fragen. Die ganz oben sind meistens älter, Männer und bringen eine Menge Autorität mit. Wenn ich diesen Menschen zeige, dass wir – also Frauen, aber allgemein auch jeder, der Karriere machen will – eben auch da hochwollen. Und dann traut man sich vielleicht auch als Frau zu fragen: „Da, wo du bist, will ich auch hin. Wie bist du dahin gekommen?“ Ich glaube, da steckt gar nicht so ein großes Geheimnis dahinter. Das kann jeder lernen.

Sirona: Manchmal ist es auch nur gutes Timing, am richtigen Ort zur richtigen Zeit.

Nicole: Ja. Aber du musst auch lernen dich selbst mit deiner Persönlichkeit dahin zu bringen. Selbst wenn es nicht sofort in einem neuen Job resultiert, das Wissen über deine Fähigkeiten zu verteilen, ist eine Menge wert.

Sirona: Man neigt ja meist eher dazu seinen eigenen, monetären Wert kleinzureden vor anderen, besonders beim Bewerbungsprozess.

Nicole: Und genau da liegt der Fehler: Ich habe doch nicht so viele Jahre gearbeitet und gelernt, um dann letztlich weniger zu kriegen als das, worauf ich hingearbeitet habe. Für mich hat Wertschätzung auch viel mit Anerkennung zu tun – aber auch wortwörtlich: Wenn dir eine Leistung etwas wert ist, dann bezahlst du es auch.

Sirona: Gerade bei Berufen, die vor allem kreative und kognitive Arbeit erfordern, „Denkberufe“, ist es schwer der Leistung einen konkreten monetären Wert zu geben. Dieser abstrakte Aspekt erschwert es vielen dieser Leistung einen konkreten Wert zu geben.

Nicole: Kreative Prozesse sehen zusammengetragen auf einer Powerpoint-Folie erstmal nach wenig aus. Was da aber für Gehirnschmalz dahintersteckt, was da alles vorher recherchiert worden ist, das siehst du erstmal nicht. Und wenn man das nicht versteht, wie will man das dann angemessen vergüten? Natürlich verhandelt man, meist hat man Budgets – das ist die Realität, das braucht man auch nicht schönreden – aber man kann anders darüber sprechen.

Sirona: Apropos sprechen: In deinem Podcast ist dir der Dialog wichtig. Aber kannst du dir auch irgendwann vorstellen allein, essay-artige Solo-Folgen zu drehen oder mit mehreren Leuten?

Nicole: Ja, mit mehreren Leuten auf jeden Fall. Moderieren kann ich auch gut, ich frage gerne viele und finde, dass ich Leute so gut zusammenführen kann. Ich merke das immer wieder, dass ich dann Fragen stelle, die sich andere nicht getraut haben zu fragen – da mache ich das dann halt.

Sirona: Aber mal Hand aufs Herz: Du sagst, du willst zeigen, wie unterschiedlich und unstetig Karrierewege sein können. Wie war’s mit deinem eigenen?

Nicole: Bei mir sieht es von außen steil und geradlinig aus: Ich habe mein Abi gemacht, ich habe eine Ausbildung gemacht, dann habe ich berufsbegleitend studiert, ich wurde übernommen und habe da großartige Projekte gemacht. Dann bin ich über einen Headhunter zu einer anderen Firma, jetzt bin ich bei einer neuen Firma und gehe da meinen Weg. Aber ob das jetzt der Punkt ist, auf dem ich bleiben werde und will, weiß ich noch nicht. Deswegen will ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen reden. Ich bereue nichts, vor allem nicht meine Ausbildung. Ich bin entschieden pro-Ausbildung, damit Leute die praktische Erfahrung haben, bevor sie ins Berufsleben gehen. Gleichzeitig habe ich ja aber auch Wirtschaftspsychologie studiert, auch weil mich die Unternehmensberatung interessiert. Aber wie wird man von der Event Managerin zur Unternehmensberaterin? Das scheint erstmal nicht zu gehen.

Sirona: Muss aber nicht unmöglich sein.

Nicole: Finde ich cool, dass du das sagst. Weil ich immer mehr merke, wie vielseitig mein Beruf ist. Alles, was du für eine Veranstaltung brauchst, machst du dann selbst – von der Architektur bis zum Filmdreh. Dadurch konnte ich in ganz viele Branchen reinschnuppern. Da ist es doch eigentlich gar nicht so unwirklich einen völlig anderen Berufsweg zu wählen – die Skills sind oft gar nicht so abwegig wie man denkt.

Sirona: Man zweifelt schnell an sich selbst, gerade wenn man beim aktuellen Job oder auf der Jobsuche wenig bis keine Erfolgserlebnisse hat. Dabei sind die meisten Fähigkeiten gar nicht so schwer zu erlernen, wenn man sich anstrengt. Man muss lernen immer zu lernen und verstehen, dass das normal ist.

Nicole: Gerade weil wir als Generation Y Privates und Berufliches immer mehr verschmelzen lassen. Da gehört auch das ständige Weiterbilden dazu, genauso wie dass wir Privates während der Arbeitszeit machen können. Gleichzeitig sind wir aber auch bereit, Arbeitssachen während unserer Freizeit zu machen. Dazu gehört auch, dass du hinter einer Idee stehst, eine Art Vision hast.

Sirona: Was sind denn deine Tipps für junge Menschen, die Karriere machen wollen? Von Jung zu Jung sozusagen.

Nicole: Einfach mal anfangen, nicht alles auf die lange Bank schieben. Dir Tipps von anderen holen, vor allem von Erfahrenen. Da muss man vielleicht mal etwas dafür bezahlen, wenn man es sich leisten kann. Professionelle Hilfe lässt dich schneller zum Ergebnis kommen.

Sirona: Du kannst nun mal nicht der Profi für alles sein.

Nicole: Genauso wichtig ist es dabei auch, Beziehungen und Netzwerke zu pflegen. Du musst nicht 1.000 Leute anschreiben – wenn ein paar Leute deine Idee gut finden und das nach außen tragen, nimmt deine Idee Fahrt auf. Wenn du eine Idee gut findest, dann fühlt es sich nicht mehr wie Arbeit an. Das darf man aber auch nicht falsch verstehen – die Arbeit muss trotzdem gut bezahlt werden.

Sirona: Es scheint auch als verändere sich derzeit die deutsche Unternehmenskultur langsam. Gefühlt möchte jeder ein Startup sein, ob es nun Sinn macht oder nicht.

Nicole: Ja, wir lockern unsere Hierarchien, verändern unsere Sprache. Dieses Umdenken ist auch wichtig, denn die Leute bleiben nicht mehr bei dir, wenn du sagst, „hey, du darfst bei mir arbeiten“. Das zieht nicht mehr. Die Leute wollen etwas Sinnhaftes, die wollen einfach Freude an der Arbeit haben.

Sirona: Letztlich verbringst du ja auch täglich 8 Stunden und mehr auf der Arbeit.

Nicole: Klar müssen wir wertschätzen, dass wir überhaupt arbeiten können, dass wir Teil eines Unternehmens sein können. Aber eine gute Arbeit zu bieten gehört nun mal auch dazu.

Sirona: Man geht eine Beziehung mit dem Arbeitgeber ein, das ist ein Geben und Nehmen. Das scheinen mittlerweile doch mehr Unternehmen zu verstehen. So viel zu deinen Empfehlungen. Aber mal anders herum gefragt: Was ist denn dein Anti-Tipp?

Nicole: Auf keinen Fall Leute fragen, die nur negativ drauf sind, dich kleinreden. Kritisches Denken und Hinterfragen ist wichtig – wer dich aber nur runterzieht, wird dich nicht unterstützen. Die Frage ist aber gar nicht so leicht zu beantworten. Denn aus den Fehlern, die man gemacht hat, lernt man auch. Dann bleiben sie einem nicht so extrem als No-Gos in Erinnerung.

Fehler verhindern zu wollen, ist ein Fehler. Ich finde intelligente Fehler sind wichtig. Wenn sich jemand vorher Gedanken gemacht hat, sich bewusst für etwas entschieden hat und dann daraus lernt, ist das tausend Mal wertvoller. Für mich ist Eigeninitiative etwas sehr Wertvolles – sich einbringen. Auch wenn man vielleicht mal Leute damit nervt. Auch wenn das jetzt eher ein Tipp als ein Anti-Tipp ist.

Sirona: Wie du selbst immer sagst – mal sollte sich auf das Positive konzentrieren. Vielen Dank für deine Zeit, Nicole! Ich bin gespannt auf die nächsten Folgen deines Podcasts.

Wer Nicole nun gerne in Action hören möchte und sich den ein oder anderen Tipp abholen möchte, von der Kommunikationsberaterin bis zum Endodontologen, kann sich hier auf ihrer Seite umschauen.

Innovatives Arbeiten für Familien und Kind Gebliebene

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist seit Jahren Streitthema, eine Verbesserung ist so bald nicht in Sicht. Wer keine Unterstützung durch die Familie bekommen kann, kann im Prinzip nur auf einen flexiblen Arbeitgeber hoffen – und selbst das bietet nur geringe Entlastung. Jana Ehret und Yvonne Schrodt kennen dieses Problem und haben sich eine eigene Lösung geschaffen: CoWorkPlay, ein Coworking-Space, das nicht nur Räume, sondern auch eine pädagogische Betreuung für Kinder bietet. Ich habe mit den beiden über das Konzept von CoWorkPlay gesprochen, welche Herausforderungen ihnen begegnet sind und was als nächstes ansteht. So viel will ich verraten – nächster Stop: Weltherrschaft.

Zwei dunkelhaarige Frau lehnen an einen Tisch und blicken frontal lächelnd in die Kamera. Hinter ihnen ein buntes Graffiti der Frankfurter Skyline.
Ein Power-Couple der Frankfurter Startup-Szene: Yvonne Schrodt und Jana Ehret

Sirona: CoworkPlay, der Name ist Programm. Wie kamt ihr auf die Idee?

Jana: Weil ich mir damals dachte, dass es nicht sein kann, sich als Frau entscheiden zu müssen: Karriere oder Kind. Mein Problem war, dass meine Eltern nicht in der Nähe waren; ich wollte Kinder, dachte mir aber gleichzeitig: „Dafür hast du doch nicht studiert, das kann’s doch nicht sein.“ Konkrete Lösungen gab es nicht: Kitas waren entweder heillos überfüllt oder am Ende der Welt. Von den Aufnahmezeiten will ich gar nicht erst anfangen. Und Arbeitgeber waren noch nicht so flexibel – bei Yvonne gab’s damals glücklicherweise eine Ausnahme -, aber die Arbeitgeber, die ich bis dato kennengelernt habe, waren nicht so flexibel, dass man es gut vereinbaren konnte. Da musste irgendwie eine Lösung her, damit du beides sein konntest – weil nur Mutter sein, die üblichen Muttergespräche führen, auf dem Kinderspielplatz versauern und sich denken, „Okay, ich bin eine Frau und ich kann eigentlich noch viel mehr“, kam für mich nicht in Frage. Und daher kam das Konzept: Ohne sich zu zerreißen, alles unter einem Dach zu haben, Business-Frau zu sein: erfolgreich sein, Unternehmen zu führen, ein Startup zu führen, gleichzeitig aber auch in der Lage zu sein, Eltern zu werden und die Kinder auch einfach mitzuerleben. Ich sage zwar immer Business-Frau, wobei das eigentlich auch für die Väter gilt. Die Kinder morgens nicht nur in der Kita abzugeben, um sie abends wieder abzuholen und sich dann die Frage zu stellen, was man eigentlich von seinem Kind hat.

Sirona: Die Beschreibung aus deiner Perspektive zeigt auch schön, dass CoWorkPlay erst mal dein Projekt war und Yvonne erst später dazu kam. Wie habt ihr denn zueinander gefunden?
Beide lachen und grinsen sich an.

Jana: Social Media sei Dank: Facebook. Mein damaliger Gründungspartner ist damals nach einem Dreivierteljahr ausgestiegen, zurück in die Angestelltenrolle und ich hatte dann in einer Facebook-Gruppe für Rhein-Main-Startups den Post gesetzt: „Junge Gründerin mit toller Idee sucht!“ Wie so eine klassische Kontaktanzeige. Daraufhin meldete sich dann black chili (Anm.: Company Builder) entgegen meiner Erwartung, dass sich bestimmt niemand melden würde. Aber da bin ich dann zu black chili und da war Yvonne. Im roten Blazer. Alle lachen.

Sirona: Oh, so genau gemerkt?

Jana: Ja, der rote Blazer ist im Kopf geblieben. Wenige Tage später hieß es dann, dass black chili eine Lösung habe, denn man hatte zuvor selbst die Idee eines Coworking-Spaces verfolgt, auch wenn es eher als Startup-Center angedacht war. Und dieses Projekt lief parallel zu CoWorkPlay, da war der Gedanke natürlich naheliegend, das irgendwie zu verheiraten. Nach einem internen Gespräch war dann klar, dass Yvonne das gerne machen würde. Denn sie kennt genau diese Problematik und irgendwie habe ich sie überzeugen können. Schaut grinsend zu ihr. Was auch immer ich da getan habe.

Yvonne: Ich fand das super spannend, eben weil ich dieses Thema als Mama selbst kenne. Ich hatte das Glück damals einen sehr flexiblen Arbeitgeber gehabt zu haben, der sagte: „Es ist egal, wo du sitzt, das geht auch aus dem Home Office.“ Wenn ich arbeiten war, war mein Mann immer da. Daher wusste ich aber auch, wie schwierig das ist, und was es für ein Gefühl ist, wenn du dein Kind irgendjemandem geben musst. Das wäre für mich überhaupt nicht in Frage gekommen. Und deswegen fand ich dieses Konzept so toll. Aber ich wusste, wir (Anm.: bei black chili) haben ein anderes Coworking-Konzept, das wir verfolgten – das war zwar ein schönes Thema, aber wollen wir das denn machen? Und dann meinte Recai Gündüz (Anm.: CEO und Gründer von black chili): „Na, ich hab‘ da eine Lösung – dann machst du das halt einfach selbst!“ Beide lachen, Yvonne ahmt ihre fassungslose Reaktion auf die Aussage nach. „Du wirst einfach Unternehmerin!“ Meine Antwort war schlichtweg: „Du hast sie nicht mehr alle! Will ich nicht.“ Er bat mich aber, einfach mal zu überlegen und ja, ab da nahm das dann so seinen Lauf. Und heute sind wir hier.

Sirona: Trotz eurer Unterschiede, die ihr häufig betont. Was ist eurer Geheimnis, dass ihr ein so gutes Team seid?

Jana: Zu akzeptieren, dass der eine Stärken, aber auch Schwächen hat. Und ihn vor allem für seine Stärken zu schätzen und die Schwächen hinzunehmen

Yvonne: Es ist ja auch nicht so, dass bei uns alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Eben wegen dieser Differenzen, auch weil wir uns erst seit dieser relativ kurzen Zeit kennen, knallen wir auch oft gegeneinander. Wir sind beide Alpha-Tiere und jeder versucht seinen Willen durchzusetzen. Man muss lernen zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die die Arbeit anders machen als man selbst, aber sie kommen genauso zum Ziel wie du auch. Das geht mal leichter, mal schwerer. Wir haben da auch durchaus schon den ein oder anderen Rat von jemand Externem genommen, wenn es um strategische Entscheidungen ging – denn das sind oft Situationen, da ziehen wir in verschiedene Richtungen. Letzten Endes ist das Ziel das gleiche, nur der Weg, der beschritten wird, ist unterschiedlich. Und da braucht man manchmal auch Impulse von außen, um die Wege wieder zusammenzuführen. Man muss lernen sich für die Ziele persönlich zurückzustellen. Und das kann schwer sein.

Jana, nickend: Egal, wie unterschiedlich wir auch sind, wir haben dasselbe Ziel. Wir haben beide viel in das Projekt investiert – und ich rede da nicht nur von Geld, sondern auch von Zeit und Herzblut. Das ist quasi unser Baby und dafür kämpfst du natürlich und willst, dass es dem gut geht. Wenn du dir das verinnerlichst, dann funktioniert die Zusammenarbeit. Da denkst du dir vielleicht, „Das ist vielleicht scheiße gelaufen, aber es geht weiter“, denn im Endeffekt schlägt ja das Herz für dasselbe Ziel. Du hast dich dafür entschieden, du willst es machen und dann machst du weiter, weil du genau weißt, dieser Weg ist nötig.

Yvonne: Aber das muss nicht heißen, dass es uns persönlich schlecht geht. Ja, man muss sich zurücknehmen. Aber es ist fast wie in einer Ehe, du lernst Kompromisse einzugehen, jeder muss mal nachgeben und dann funktioniert es relativ gut.

Jana: Damals beim Notar (Anm.: bei der Gründung) war es fast so, als würde man uns fragen: „Willst du diese Frau zu deiner Frau nehmen?“ Beide lachen. Es hat so ein bisschen was von der Soap Hochzeit auf den ersten Blick. Man kannte sich anfangs nicht, wir sind irgendwie verschieden, aber wir wollten es gemeinsam probieren.

Sirona: Seit der Gründung habt ihr eine Menge gemeinsam gelernt. Wenn ihr Gründern einen Ratschlag ans Herz legen könnt, welcher wäre das?

Jana: Arschbacken zusammenkneifen und springen. Keine Angst davor haben. Wenn du nur darüber nachdenkst zu scheitern, zu verlieren, etwas in den Sand zu setzen, brauchst du nicht zu gründen.

Yvonne: Wenn du nicht zu 100% dahinter stehst, dann lass‘ die Finger davon. Dann scheiterst du. Du wirst scheitern, weil du dich selbst ausbremst – du fährst mit angezogener Handbremse. Überzeugung ist kein Garant dafür, dass du Erfolg haben wirst, aber es ist definitiv so, dass du scheitern wirst, wenn du nicht dahinter stehst. Besonders wenn du keine unterstützende Umgebung hast. Wenn wir unsere Familie und Partner nicht hätten, die uns immer wieder den Rücken freihalten, dann könnten wir das so nicht machen. Das brauchst du um Kraft zu tanken, du brauchst einfach den Rückhalt. Und wenn du dann nicht einmal selbst von deiner Idee überzeugt bist, dann wird das nichts.

Jana: Und vor allem bei Frauen: Sei stolz auf deine Idee. Wenn sich ein Mann dahin stellt (stemmt die Hände in die Hüften und setzt sich auf) und laut meint, „Heeey! Seht her, ich hab‘ das gemacht“, dann kommt eine Frau daher und pitcht (leise, macht den Rücken krumm und zieht die Schultern zusammen), „Ja, ich hab‘ da sowas gemacht und dann läuft das ganz guuut…“ Es ist wirklich so. Ich möchte diese Frauen rütteln und ihnen sagen: „Hey, sei‘ doch stolz drauf. Brust raus, laute Stimme – come on! Du hast etwas ganz Tolles geschaffen, steh‘ doch dazu.“ Warum fällt das einem Mann oftmals viel, viel leichter seine Idee stolz und vollkommen von sich selbst überzeugt zu präsentieren? Da kann die Idee der Frau mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sein. Sei stolz, steh‘ dazu, feier das. Feiere jeden Tag, was du erreicht hast.

Sirona: Besonders wenn man von außen ohnehin genug Gegenwind erfahren wird.

Yvonne: Es gibt ganz viele, die an dir zweifeln werden; ganz viele, die alles besser wissen und dich belehren wollen. Und ich denke mir, „Natürlich, erzähl‘ mir mehr. Du bist jetzt Angestellte und ich habe ein Unternehmen, bin selbstständig und habe so und so viele Mitarbeiter. Und wir machen jetzt einen zweiten Standort auf. Was genau hast du geschafft?“

Jana: Und feiere deine Erfolge. Kleine Erfolge, große Erfolge, jeden Erfolg.

Yvonne: Anfangs haben wir hier jedes Ding, das hereinkam, gefeiert. Als die EZB kam, habe ich erst mal meinen Papa angerufen. Wenige Hundert Euro oder jeden großen Kunden: Auch wenn du damit nicht die Miete bezahlen kannst, feiere dich.

Jana: Oder als Facebook damals eine Veranstaltung bei uns hatte. Das hat den Maßstab für alles weitere gesetzt – die Events, das Herausfinden, was beim Kunden ankommt. Das macht uns so gut: Wir zeigen jede Menge Professionalität, aber wir haben vor allem das Herz am richtigen Fleck und gehen mit Herzlichkeit hier hinein. Wer durch diese Tür hier kommt, der wird liebevoll begrüßt, als sei es unser Wohnzimmer. Egal, ob es ein Coworker, die Deutsche Bahn oder ein Kaiser sein sollte, der wird genauso behandelt, wie jeder andere auch. Als ob man nach Hause kommt.

Sirona: Stichwort Wohlfühlen: CoWorkPlay. Auch kinderlose Coworker bringen sich voll ein und interagieren mit den Kindern. Wie funktioniert das Zusammenleben hier?

Yvonne: Die Leute, die hier reinkommen, die wissen, dass Kinder da sind – und dass Kinder eben nicht immer nur leise sind. Die meisten haben damit überhaupt kein Problem, sie finden das sogar schön, wenn hier ein Kind mit dem Bobby-Car durch die Welt fährt. Klar gibt es laute Tage, da braucht man mehr Nerven. Aber dann macht man die Bürotür zu. Das wissen die Leute. Wir haben mit voller Absicht auch Spielelemente für Erwachsene eingebaut, da springt man auch mal als Tischkickerpartner ein. Man selbst muss wissen, ob man dieses familiäre Umfeld will – und wer sich das vorstellen kann, der kommt hierher. Es gibt auch Menschen, die merken, dass es nichts für sie ist. Das ist okay, die finden woanders ihren Platz.

Jana: Aber wenn dir dann ein Coworker sagt, er vermisst die Kinder, dann ist das wirklich schön. Die Kids merken sich Gesichter, es gibt dieses Gefühl des Familienzusammenhalts – du bist nicht einfach nur Coworker. Das erdet. Das hast du sonst nirgendwo.

Yvonne: Oder wenn ein Kind sein Gesicht gegen die Glasscheibe drückt und damit einfach ein komplettes Meeting einer Bank crasht. Da haben wir uns auch um die Reaktion gesorgt – bis wir merkten, wie sehr das die Stimmung entspannte. Ein Meeting voller Männer und auf einmal haben alle gelächelt. Kinder genießen einfach diese Narrenfreiheit. Alle, die hier einen Bereich mieten, die sind im Herzen noch ein Stück weit Kind.

Sirona: Wenn man rund acht Stunden am Tag auf der Arbeit verbringt, ist es natürlich auch nett, wenn man sich ein Stück Familie mitnehmen kann. Wenn’s nicht die eigenen Kinder sind, dann sind es die der anderen.

Yvonne: Wenn ich völlig fertig bin, dann kann ich einfach eine halbe Stunde in den Kinderbereich gehen, mit ihnen Blödsinn machen. Und wenn ich wieder herauskomme, sieht die Welt ganz anders aus.

Sirona: Möchtet ihr das gleiche Konzept mit dem Flying Nanny Service, also der Kinderbetreuung, auch in der MyZeil beibehalten?

CoWorkPlay3

Jana: Leider nein. Die Fläche ist zu klein.

Yvonne: Die Zielgruppe ist da tatsächlich auch eine ganz andere. Da sind eher die Tagesgäste und Veranstalter im Fokus. Obwohl man in der MyZeil durchaus über eine Kinderbetreuung nachdenkt. Da könnten wir uns durchaus eine Kooperation vorstellen, aber dafür werden wir nicht extra Fläche anmieten. Wir möchten nicht, dass man die Kinder einfach nur für ein, zwei Stunden parkt. Wir sagen immer, wir sind ein Bällebad mit Qualität. Und die Qualität der Betreuung ist uns wichtig. Aber an anderen Standorten wollen wir das durchaus wieder aufgreifen.

Jana: Die Schwerpunkte wollen wir je nach Filiale setzen. Weiter auf dem Land kann man den Schwerpunkt vielleicht wieder mehr auf den Kinderbereich legen und eine richtige Kita anschließen. Das ist alles denkbar, denn bei CoWorkPlay sind es letztlich drei einzelne Bausteine, die du je nach Bedarf wählen und variabel anordnen und gewichten kannst. Hier im Mutterschiff (Anm.: Frankfurter Ostend) ist das relativ ausgewogen und in der MyZeil sind es eher die ersten zwei Bestandteile.

Sirona: Ihr weist ja immer wieder auf das Baustein-Konzept hinter CoWorkPlay hin. Passend zum Play funktioniert das ja wie Lego-Steine. War das von Anfang an die Idee dahinter oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt?

Jana: Gerade in der Gründungsphase haben wir das Kinder-Konzept gefühlt fünf Mal umgeschmissen. Man steckt ja nicht drin, wir sind beide keine Erzieher und dann fängst du als komplett Branchenfremder an dich in so ein Thema reinzuarbeiten. Und du denkst dir erst, „okay, dann machen wir das halt so“ – bis eine Behörde kommt und du merkst, dass das so nicht geht. Und dieser Austausch ist dann ein ewiges Hin und Her.

Yvonne: Also jedenfalls wenn du mit der Behörde arbeiten willst. Wenn du ohne die Behörde und ohne irgendwelche Zuschüsse klar kommen willst, dann kannst du letzten Endes tun und lassen, was du willst. Das Schulamt war seinerzeit da gewesen und hat sich hier alles angeguckt, wie wir das machen, damit wir auch keine Richtlinien verletzen. Es wird einem aber extrem schwer gemacht – obwohl es diese Situation mit Kindertagesstätten, Kindergartenplatzmangel gibt, obwohl es zu wenig Tagesmütter gibt, obwohl man weiß, dass es für Kinder eigentlich eher schädlich ist, sie ab einem gewissen Alter schon in die Krippe zu geben. Trotzdem sind die Städte und die Politik nicht offen für solche Konzepte. Im Gegenteil: Sie verfolgen veraltete Konzepte, die auch gar nicht so gut sind für die Kinder, weil du keine Kontrolle hast, was dort passiert. Wir kennen Insider, die sagen, dass man oft gar nicht sieht, was hinter verschlossenen Türen passiert. Die Kinder sind klein, sie können sich nicht artikulieren; du weißt nicht, ob ein Kind nachts auf einmal schreit, weil es am Tag vielleicht etwas erlebt hat, das belastet und nicht verständlich ist. Wir streben eine Studie mit dem Kinderbereich bei uns an, weil wir nach über einem Jahr das Gefühl haben, dass unsere Kinder hier, deutlich entspannter sind und auch deutlich weniger krank sind als Kinder im Kindergarten. Das kann natürlich an der kleineren Gruppe liegen, aber auch daran, dass die Kinder keine Verlustängste haben müssen und weniger Stress erfahren. Diese Kinder hier sind satt, sie kriegen von allen Seiten Liebe und die Eltern wissen: Hier ist alles offen, die Eltern können jederzeit sehen, wie mit den Kindern umgegangen wird. Natürlich gibt es Regeln – aber auf eine Art und Weise, die sie verstehen können und lernen lassen. Aber es wird auf jedes Kind eingegangen, mit ihnen gesprochen. Eine Mama hat sich tatsächlich aktiv gegen den Krippenplatz entschieden. Sie hat allen Seiten eine Chance gegeben, hat es aktiv mit einer Eingewöhnungsphase probiert und sie sagt: Für sie ist das ein ganz anderes Umfeld, sie fühlt sich damit nicht wohl – und will lieber bei uns bleiben, denn hier ist das für sie Familie.

Sirona: Wenn das kein Erfolg ist, den man feiern kann.

Yvonne: Genau! Wenn so ein Feedback kommt, dann haben wir alles richtig gemacht.

Jana: Aber allein, wenn dich ein Kind anstrahlt und dir ein High Five gibt. Das sind die schönsten Momente.

Yvonne: Am liebsten bringe ich den Kindern Unsinn bei und ärgere Heidi, unsere pädagogische Leitung, ein bisschen damit. Lacht.

Jana: Dann heißt’s, „Jana, Yvonne, wir haben hier Regeln!“ Beide lachen.

Sirona: Wie war das mit dem Kind im Erwachsenen? Hand auf’s Herz: Würdet ihr im Nachhinein irgendetwas anders machen?

Yvonne: Nein. Denn dann wäre es nicht mehr so, wie es jetzt ist. Und ich weiß nicht, ob es dann so wäre, wie es jetzt ist. Ich glaube, der Weg, den wir gegangen sind, war der richtige.

Jana: Zwei, drei Fehler sind uns passiert, natürlich. Aber auch aus diesen Fehlern haben wir für uns die Lehren gezogen, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Und das ist wichtig.

Sirona: Und als nächstes kommt dann die Weltherrschaft, wie ihr so gern sagt?

Beide: Aber sowas von. Lachen.

Jana: Im Nachgang muss ich auch sagen: Bevor wir hier auf den Markt kamen, hat sich niemand im Rhein-Main-Gebiet für Gründerinnen interessiert. Und kaum veranstalten wir die Female Founders Edition, macht es plötzlich jeder.

Yvonne: Nachahmung ist halt die höchste Form der Wertschätzung. Es gibt vieles, was wir falsch gemacht haben – aber wir haben auch eine Menge richtig gemacht. Und das war der richtige Weg für uns.

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CoWorkPlay, ein innovatives Coworking-Space im Frankfurter Ostend.

Blicke deiner eigenen Schwäche ins Gesicht

Neulich fragte mich mein Freund: „Wie kommt es, dass du dich nach außen immer so tough gibst, wenn du dir innerlich alles so zu Herzen nimmst?“
Mein erster Gedanke war: Warum fragst du das nach all den Jahren, du kennst mich doch? Mein zweiter Gedanke war: Ich kenne die Antwort nicht mal selbst.

Den ersten Teil der Frage kann ich eher begründen als beantworten: Ich zeige Menschen, vor allem im professionellen Umfeld, nur ungern Verletzbarkeit. Denn hat man sie ein Mal durchblicken lassen, kann man diesen Eindruck nicht zurücknehmen. Wir alle wollen verständlicherweise steuern, wie andere uns wahrnehmen. Und gerade im Beruf rutscht man als junge Frau schnell in das Mädchen-Schema zurück, in die Verletzbarkeit wird Schwäche und Unreife gelesen. Wer Verantwortung übernehmen und Richtung zeigen soll, muss ein Fels in der Brandung sein und niemals wanken. So zumindest die theoretische Auffassung. Ein Gedanke, den sicherlich nicht nur Frauen im Laufe ihrer Karriere haben, sondern gerade auch Eltern und natürlich Männer. Wir alle hadern mal mehr, mal weniger mit unserem Image.

Denn wer will schon als schwach gelten? Als eine Person, die sich alles zu Herzen nimmt, und nicht belastbar ist? Und hier liegt der Widerspruch.

Wer sich auch nur am Rande mit Themen wie Führung im Job, agiles Management oder auch Erziehungsthemen auseinandersetzt, wird hören, dass gute Vorbilder und Verantwortungstragende Fehler und Unsicherheiten zugeben. Eine menschliche Seite zeigen, um auch andere dazu zu bewegen, sich zu offenbaren. Vertrauen ist die Basis jeder guten Zusammenarbeit und es kann nur existieren, wenn man offen und ehrlich miteinander ist. Wer immer sicher und stark ist, wirkt bestenfalls unnahbar, schlimmstenfalls arrogant und realitätsfern.

Sich einer Sache mal nicht sicher zu sein, ist nicht schlimm – durch Diskussionen und gemeinsames Abwägen lassen sich Lösungen besser finden als wenn man alleine vor sich hin grübelt. Sich Dinge zu Herzen zu nehmen ist nicht schlimm – das zeigt, dass sie einem wichtig sind. Zu demonstrieren, dass man verletzlich und trotzdem fähig sein kann, zeigt, dass Verletzbarkeit kein Makel, sondern menschlich ist. Und dass man damit umgehen kann.

Ich werde mir manche Dinge immer noch mehr zu Herzen nehmen als es sein muss. Aber ich will anerkennen, dass mich das nicht schlechter oder weniger verletzbar macht. Denn dieses Fühlen und Nachdenken hat mich im Endeffekt immer besser gemacht: Ich setze mich intensiv mit etwas auseinander, verstehe Situationen dadurch besser und finde Lösungen. Und wenn’s nur die Erkenntnis ist, dass es die Aufregung nicht wert ist.

Daher mein Appell an dich: Verdränge nicht deine vermeintliche Schwäche, sehe sie klar und deutlich – und mache sie zu deiner Stärke. Denn was uns stark macht, ist menschlich zu sein.